Autor: Fiona Kawazoe
Titel: Für immer und Sushi?
Verlag: Digital Publishers
Erscheinungsdatum: 26. April 2016
Seitenzahl: 439
ISBN-13: 978-3-945298-70-1
Rezension:
Mit „Für immer und Sushi?“ schrieb Fiona Kawazoe nicht nur ihren ersten Roman, sondern schuf auch eine interkulturelle Liebesgeschichte, die ebenso Tokio-Begeisterte in ihren Bann ziehen, wie romantisch veranlagte Weltenbummler anlocken wird.
Vanessa, von ihren Freunden Vani genannt, bricht Hals über Kopf in die Hauptstadt Japans auf, um dort als Babysitterin die dreijährigen Zwillinge Chie und Hayato, die sie überwiegend Deutsch lehren soll, zu betreuen. Doch neben den Hürden, die der Alltag in einem fremden Land und die Begegnung mit einer für einen Europäer ungewohnten Kultur mit sich bringt, muss sich die Endzwanzigerin vor allem auch gegenüber ihrer Gastfamilie beziehungsweise der Mutter des Zwillingspaares behaupten.
So ist es wenig verwunderlich, dass sich Vanessa bereits kurz nach ihrer Ankunft dazu entschließt eine eigene Wohnung zu nehmen. Auf der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft trifft sie auf Saki, ihrerseits Halbjapanerin und engagierte Bloggerin für zwischenmenschliche ‘Völkerverständigung’, die nicht nur ihre künftige Mitbewohnerin und Vermieterin, sondern ebenso zur Freundin wird. Sakis bester Freund wiederum, Takuya, mit dem Vanessa von Anfang an intelligente und philosophische Gespräche, in demselben Maße wie auch manchmal irreführenden nonverbale Unterhaltungen führt, steht gleichermaßen im Mittelpunkt der Geschichte. Shota, der Sprachtandempartner der Protagonistin, bildet dazu sein Pendant.
»Ich konnte weiterhin versuchen, das Leben und die Umstände so zu kontrollieren, dass sie mir ein Gefühl von Sicherheit gaben. Oder ich konnte einmal versuchen, das Leben und seine Möglichkeiten so zu nehmen, wie sie gerade kamen.«
Doch Vanessa muss sich außer den alltäglichen Herausforderungen, in erster Linie sich selbst, ihrem Seelenleben und ihrer depressiven Verstimmung stellen. Denn anders, als vor allem von ihr persönlich erwartet, scheint ihr eigenes Naturell der japanischen Kultur näher als gedacht. Am Ende der Handlung schließt sich sogar eine Art ‘ewiger Kreislauf’, welcher durch die Selbstfindung aller Beteiligten sowohl in der Liebe, als auch auf allen anderen Ebenen ein Gleichgewicht schafft.
»Stabilität und Loyalität sind also wichtiger als Selbstverwirklichung.«
Außerdem illustriert der Roman wunderbar die japanische Arbeitsmoral und gewährt Einblicke in das Bildungssystem. Auch das für mich bis dato oft unerklärliche asiatische Verhalten, die vermeintlichen Wünsche seines gegenüber ohne jegliche gemeinsame Konversation zu kennen oder das nonverbale Erkennen dergleichen als Voraussetzung zu sehen und dementsprechend für einen anderen Menschen gar fremdbestimmt Entscheidungen zu treffen, womit man diesem im Prinzip entmündigt oder zumindest bevormundet (gerne in Liebesbeziehungskonstellationen zu beobachten), wird mit der Grundstruktur in Form der steten Absicht Verantwortung und (Für-)Sorge für seine Mitmenschen tragen zu wollen, gut erläutert. Sprich, das Individuum zählt nur in und alle seine Handlungen messen sich an der Gemeinschaft. Um einen Buchvergleich herzustellen, würde ich sogar so weit gehen und dieses Verhalten als übersteigertes „Edward-Syndrom“ (nach der Figur aus Stephenie Meyers Bis[s]-Reihe) bezeichnen, wobei das Potenzieren desselben schon eine große Anstrengung erfordert.
Ansonsten klingen, wenn man den Lebenslauf der Autorin zu Rate zieht, eingebettet in vielerlei touristischer Reiseeindrücke auch mutmaßlich autobiographische Elemente Kawazoes in der Geschichte an, welche die Leselust noch zusätzlich steigern und einem das Gefühl vermitteln die Weltmetropole selbst zu entdecken. Dass die Erzählung bisher [Stand April 2016] ausschließlich als E-Book erhältlich ist, finde ich zwar aufgrund des gelungenen Textes, den man samt dem besonders detailfreudigen Titelbild gerne auch im Regal beherbergen möchte, schade – jedoch spricht der dahingegen verhältnismäßig geringe Kaufpreis bereits für sich.
Folglich lässt sich resümieren, dass ich mich zwar nicht in die einzelnen Protagonisten verliebt habe, da mir deren Handlungen oft fern lagen, dafür allerdings meine alte Liebe für das Land der aufgehenden Sonne neu erweckt wurde und einem insgesamt mit „Für immer und Sushi?“ ein interessanter, wie liebenswerter Roman erwartet, den man sich als Otaku nicht entgehen lassen sollte.
Quotes:
- Für mich ist Familie nichts, was man automatisch im Leben hat, sondern eine aktive Wahl. Entscheidet man sich dafür, muss man sich auch darum bemühen, dass es funktioniert.
- Gerade die Vergänglichkeit einer Situation macht sie so wertvoll [...].
Wertung: 5,5 /7 Schreibfedern
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