Das Paket (Sebastian Fitzek)

© FinePic, München; ZERO Werbeagentur GmbH, München

Autor: Sebastian Fitzek
Titel: Das Paket
Verlag: Droemer HC
Erscheinungsdatum: 26. Oktober 2016
Seitenzahl: 368
ISBN-10: 3426199203
ISBN-13: 978-3426199206

Rezension:

Zehn Jahre Spannung, zehn brisante Bücher, zehn Mal Nervenkitzel – kurzum ein Jahrzehnt Fitzek! Zum Jubiläumsjahr in dem der Meister des deutschen Thrillers sogar für den europäischen Kriminalliteraturpreis nominiert wurde, erschien nun endlich das (nicht nur von eingefleischten Fans) langersehnte „Paket“. Ein Buch, das bereits mit einem Prolog aufwartet, der seinesgleichen sucht. Denn wer kennt sie nicht: Die zumeist kindliche Angst, vor dem Nachtmonster im Schrank. Oder unter dem Bett. Allein, in der Dunkelheit des Kinderzimmers, nur umgeben von seinen eigenen Ängsten und gefangen in einer Art Zwischenwelt. Die Momente wenn Traum, Fiktion und Wirklichkeit miteinander verschwimmen. Und was kann man aus schriftstellerischer Sicht besseres machen, als genau dieses Gespinst Realität werden zu lassen.

So nimmt einem der Prolog gleich mit in die Achtundzwanzig Jahre zurückliegende Kindheitserinnerung und Vergangenheit der Protagonistin Emma Stein, welche als Psychiaterin, die über Paranoia und Pseudologie promovierte, an der Quelle von Selbsterkenntnis und Eigenbeobachtung sitzt.
Unmittelbar zurück in der Gegenwart wird der Leser zusammen mit Emma überfallen, letztere wird mit Gammahydroxybuttersäure betäubt, vergewaltigt und mit einem Rasierer kahlgeschoren. Diese Tat hat zur Folge, dass sich die Psychiaterin, nun selbst schwer traumatisiert, für sechs Monate völlig in das gemeinsam mit ihrem Mann, einem Fallanalytiker der Kriminalpolizei, bewohnten Eigenheim im Berliner Westend mit geringestmöglichem Kontakt zur Außenwelt zurückzieht. Dieser Zustand wäre vermutlich stabil geblieben, hätte ihr der eigentlich vertraute Briefträger nicht auf einmal ein Paket für einen ihrer Nachbarn überreicht…

Derart aus dem fragilen Glaskokon ihrer Paranoia geschüttelt und mit dem treuen, aber schwer kranken Hund Samson in ihrer Obhut, entspannt sich um Emma ein flirrendes Netz an Geschehnissen, dessen Fäden zu Erkenntnissen und Ereignissen führen, die die bisherigen Erfahrungen und Ankerpunkte ihrer Welt nahezu ins Gegenteil verkehren und Menschen das Leben kosten werden.

Doch nicht nur der Inhalt wartet mit überraschenden Handlungssträngen auf, sondern auch Wahn und Wirklichkeit gehen in dieser spannenden Geschichte, wie fast immer in den Romanen von Herrn Fitzek, wieder einmal eine fast untrennbare Symbiose ein. Eine Symbiose, bei welcher es geradezu überflüssig erscheint, sich Gedanken über den Realismus der Figuren zu machen. Denn die Charaktere selbst sind zwar spürbar weniger abgedreht, als in manch einem anderen Buch, bewegen sich aber dennoch gefühlt außerhalb jeglicher erfahrbarer Lebensrealität.
Stünde dies so ohne weitere Erklärungen, könnte man die Ausführungen als negative Kritik werten, doch dem ist nicht so. Schließlich balanciert der Autor sehr erfolgreich auf der schmalen Kante der richtigen Bildung – ähnlich wie Figuren aus (Superhelden-)Comics und Spionage,- respektive Technothrillern verfügen Emma Stein und ihr Mann Philipp, sein Polizeikollege Jorgo, der Anwalt Konrad Luft und der Nachbar Anton Palandt oder auch der Psychiater Dr. Martin Roth über schwer greifbare, jedoch wichtige Eigenschaften, die einem als Leser das Mitfiebern gestatten und Projektionsflächen für eigene Gefühle jedweder Couleur bieten, ohne das diese Charaktere dabei lebensecht zu sein haben.

Außerdem sticht einem der pointierte Humor des Romans ins Auge und bleiben einem sicher die liebevoll ausgewählten Leserbriefe anlässlich des Jubiläums in positiver Erinnerung. Regelmäßige „Fitzek-Konsumenten“ werden zudem mit Begeisterung wiederkehrende Namen und Figuren entdecken. Die Auflösung der Handlung an sich, ist wie gewohnt spektakulär, wenngleich manch ein empathischer Mensch deutlich vor Ende des Romans den wahren Täter entlarven kann.

Auch die der Weltliteratur gut passend entnommene Zitate und die Aufmachung des Buches, sind Zeugnisse davon, dass Sebastian Fitzek, zumindest meiner Meinung nach, nach in der Vergangenheit durchaus weniger geglückten Romanen, nun wieder zur Höchstform aufgelaufen ist. Ernsthaft, ich habe lange nicht mehr so die Seiten eines Romans verschlungen und mich dabei über jede einzelne Zeile gefreut.

Und daher bleibt mir nur meine Rezension mit dem gleichen Worten von Viktor Larenz, mit denen auch schon der Roman sein Ende fand, zu schließen:
»Die größten Verbrechen geschehen aus Liebe.«
… genauso, wie die besten Bücher aus (der) Liebe (zur Literatur) geschrieben werden.
Meine ausdrückliche Leseempfehlung!

Quotes:

  • Die meisten Menschen denken, der Schlaf wäre der kleine Bruder des Todes, dabei ist er sein größter Gegner. Nicht der Schlaf, sondern die Müdigkeit ist die Vorhut der ewigen Dunkelheit. Sie ist der Pfeil, den der schwarze Kapuzenmann auf uns abschießt, zielsicher, Abend für Abend, und den der Schlaf Nacht für Nacht mit aller Kraft wieder aus uns herauszuziehen versucht.
  • Selbstmitleid. Selbstvorwürfe. Selbstmord.
    Emma kannte den tragischen Dreiklang, und sie müsste lügen, wenn sie behaupten würde, dass sie an die letzte Option noch nie gedacht hätte.
    Wie lächerlich, sagte ihr Verstand.
    Wie unvermeidlich, sagte der Teil des menschlichen Systems, der im Grunde alle Entscheidungen bestimmte und der sich weder kontrollieren noch heilen ließ, sondern immer nur verletzten: die Seele.

Interaktives (nichts für Menschen mit schwachem Herzen): Das Paket

Wertung: 6 /7 Schreibfedern

Zurück zur Übersicht
facebooktwittergoogle_pluslinkedinmail

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>