Neuschweinstein – Mit zwölf Chinesen durch Europa (Christoph Rehage)

© Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaasbuchgestaltung.de – Motivnutzung: Schloss Neuschwanstein, Bus (iStock), Gruppe (privat), Kollosseum, Berge, schiefer Turm von Pisa, Eiffelturm, Frauenkirche, Rialto-Brücke (Fotolia)

Autor: Christoph Rehage
Titel: Neuschweinstein – Mit zwölf Chinesen durch Europa
Verlag: Malik
Erscheinungsdatum: 17. Oktober 2016
Seitenzahl: 272
ISBN-10: 3890294359
ISBN-13: 978-3890294353

Rezension:

In dem Buch „Neuschweinstein“ von Christoph Rehage erzählt der Globetrotter von seinen Erlebnissen als europäisches Mitglied einer chinesischen Europa-Reisegruppe.

Was anfangs ungewöhnlich erscheinen mag, entpuppt sich als denkwürdiges, aber schwieriger wie erwartetes, Unterfangen, bei dem der Leser bereits auf den ersten Seiten der Lektüre unmittelbar in den Strudel des Geschehens gezogen wird.

»Weißt du, in China ist ein Traum eine Sache, die sehr weit entfernt ist.«

So erfährt man nicht nur die Motivation hinter der Idee der Reise, sondern steigt auch nach den ersten Startschwierigkeiten bei der Umsetzung des Plans und dem Finden einer Reisegesellschaft, was durch pointiertem Humor situationsgerecht untermalt wurde, schließlich zusammen mit zwölf Reisebeteiligten in ein Flugzeug von Beijing nach München. Angekommen in der winterkalten, bayrischen Hauptstadt heißt manch einem Gruppenmitglied in Abwechslung zur chinesischen Stadtluft, inmitten der mit laufendem Motor wartenden Taxis und Busse vor dem Flughafenterminal, erst einmal die „frische Luft“ willkommen.

Eine klare Brise, die den Auftakt zur einer Tour durch Europa bildet, welche über Österreich, der Schweiz, Italien, dann Frankreich und wieder zurück nach Deutschland respektive China führt und bei der jeder Halt etwas Neues zum dokumentieren birgt – Christoph Rehage tut dies mit seinem Text, die Reisenden ausgiebig mit ihren Kameras, sowie Smartphones – und an derem Ende man nicht nur die einzelnen Ländern, sondern vor allem die jeweiligen Menschen und ihre Hintergründe näher kennen lernt.

Durch den geschickt und interessant gewählten Erzählstil der „Wir-Perspektive“, welcher zweckmäßig Nähe zum Leser aufbaut, wie ein Freund der seine Urlaubserfahrungen mit einem teilt, könnte man beinahe glauben, der Autor sei tatsächlich fester Bestandteil des fernöstlichen Kollektivs. Konjunktiv, weil der Subtext der Erzählung einem gut verpackt die negativen Auswirkungen des Kommunismus erklärt, allerdings auch das Einzelwohl der Beteiligten nicht außer Acht lässt und dabei immer die Liebe des Schriftstellers für die Schönheit des Landes zum Ausdruck bringt.

»Du siehst ja wirklich alles!«, lachte ein Lektor aus meinem chinesischen Verlag spöttisch, als ich ihn auf ein Plakat mit den KERNWERTEN (des Sozialismus) ansprach. Für ihn, wie für viele andere, wer es unsichtbar. »Es ist wie das Ticken einer Uhr – das hörst du auch nicht, wenn du nicht unbedingt willst, oder?«, erklärte er mir.

Im Prinzip lässt die Erzählung den Leser stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Plastisch könnten Beide, aufgrund der Lebensfreude der Reisenden, der bewussten oder unfreiwilligen Situationskomik und die dem Autoren eindeutig innewohnende Begeisterung für China, lachen, doch steckt in einem, dem weinenden Auge, ein gewaltiges Sandkorn, wenn nicht gar ein ausgewachsener Steinbrocken: nämlich die sich durch die staatliche Politik ergebenden Missstände und das daraus resultierende Leid gegenüber dem eigenen Volk.

Schade ist außerdem, dass der Blick auf die europäischen Kulturgüter sehr trüb und blass geschildert wurde und eher einer Reiseplanabhandlung, denn einer Entdeckungsreise glich. Selbst die asiatische Wahrnehmung derselben geriet hierbei oft in den Hintergrund, obwohl ein Hauptmerkmal des Romans ja auf die Annäherung und Differenzierung dieser beiden Welten gelegt werden sollten, zumindest verhieß es am Anfang des Buches so. »Aber daran kann wohl nichts ändern.«

Was einen ebenfalls zum Nachdenken veranlasst, ist die Frage, ob den Reisebeteiligten aufgrund ihrer Aussagen, die sich im Nachhinein sicher problemlos zurück verfolgen und zuordnen lassen, tatsächlich keine Konsequenzen seitens der Regierung drohen oder ihnen schon auferlegt wurden. Die Geschichte der DDR ist schließlich lehrsam.
Überhaupt ist es für einen westlich geprägten Europäer unbegreiflich und immer noch (wieder) erschreckend, wie ein solches Staatsmodell überhaupt noch funktionieren und von der Bevölkerung getragen oder gar verherrlicht werden kann. Doch zum Glück haben meiner Ansicht nach, all diese gleichgestellten Prinzipien, Staatsformen, ein schon mit ihrer Gründung vorbestimmtes Verfallsdatum, da sie sich zwangsläufig selbst überholen.

Deshalb kann man die von Christoph Rehage trotz aller Widrigkeiten eifrig und auf allen Ebenen betriebene Aufklärung nur honorieren und sollte man unbedingt auch einen Blick auf seine anderen Werke beziehungsweise seinen Videokanal werfen, weil selbige einem auf jeden Fall erlauben etwas tiefer in die chinesische Kultur einzutauchen und sich mit ihr vertraut zu machen.

Das Buch „Neuschweinstein“ direkt ist für mich erheiternd bis ernst und daher absolut empfehlenswert!

Wertung: 5,5 /7 Schreibfedern

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