Bücher, Bücher, Hunderttausend Bücher – Leipziger Buchmesse [14. März 2015]

(c) Sarah McCourt

Nach einigen Jahren Abstinenz öffnete die Leipziger Buchmesse am vergangenen Wochenende auch für mich endlich wieder ihre Tore. 42 Länder, 186 000 Besucher und 2263 Aussteller luden zum bunten Lesereigen ein. So wurde auch ich zusammen mit Kind und Kegel, also Mann und einem befreundetem Pärchen, Teil des großen Trubels. Trubel trifft es ausgesprochen gut, da zum einen samstags, wie immer zu erwarten, nicht nur die örtliche Verkehrslage, sondern auch die Messehallen beinahe auseinander brachen und natürlich anderseits sich die Warteschlangen bis auf das Außengelände wanden. Aber das muss man nun mal in Kauf nehmen, wenn die Zeit einem persönlich nicht mehr Raum für einen längeren Besuch lässt. Dies gestattete einem zumindest schon einmal einen anerkennenden Blick auf die zahlreichen Cosplayer und ihre oftmals detailreichen Kostüme. Außerdem fanden sich, wie man im Nachhinein resümieren musste, natürlich auch wieder verschieden große Perlen der Literatur ein.

Wenn man also den Kassenbereich einmal erfolgreich passiert hatte, blieb man noch kurz in den Fängen des besagtem Pärchens, in dessen Kielwasser man zu einer Gruppe wildfremder, aber keinesfalls unsympathischer Leute gebracht wurde.

Ein Blick auf Wolfgang Hohlbein...

Nach einem kurzen Gang durch Halle fünf, welche gut belebt war, kam es zu (K)einer Robinsonade auf der Fantasy-Leseinsel, da dort noch die letzten zehn Minuten von Wolfgang Hohlbeins Lesung „Der wilden Schwäne“ abgehalten wurden. Ich bemühte mich so dann erfolgreich um ein paar Buchsignaturen, beachtete aber leider – wie ich retrospektiv sagen muss – den dort ebenfalls sitzenden ‘neuen Jesus’ nicht weiter. Patrick Rothfuss’ Äußeres kann man einfach nicht treffender beschreiben, selbst wenn gleiche seiner literarischen Kreativität gewiss nicht gerecht wird. Stattdessen stieß ich auf einen kleinen Stand, an welchen ich einige Memorabilien der ‘Unendlichen Geschichte’ erwarb.

Nach anschließendem ausgiebigem Stöbern im Programmheft entschieden wir uns die illustre Gruppe wieder aufzulösen und so machte ich mich gleich auf in Richtung Kriminalbelletristik, da ich um 12.30 Uhr eine einseitige Verabredung mit Herrn Fitzek, Sebastian, entgegensah. Die ich zwar aufgrund der zuletzt erschienenen Werke des Autoren mit gemischten Gefühlen erwartete, welche ich aber trotzdem auf keinen Fall verpassen wollte. Also ich wusste davon, er nicht.

Die Diskussionsplattform

Pünktlich vor Ort musste ich feststellen, dass der Verlag vermutlich nicht mit einem solchen Ansturm der Zuhörerschaft gerechnet hatte, da das kleine Stuhlrondell um das Rednerpult bereits komplett gefüllt war und die Menschen fast auf dem Schoß des andere saßen beziehungsweise sich zusätzlich in großen Trauben rechts, sowie links der andere Gänge sammelten, so dass diese von den Bühnengeschehen faszinierten Zuschauern, blockiert waren. Normalerweise hätte ich dadurch wahrscheinlich nicht viel von dem Gelesenem und Fitzek selbst wahrnehmen können (denn leider gab es nur einen Lautsprecher zur Stimmverstärkung), doch hier geriet mir meine eher geringe Körpergröße und das zierlich, freundliche Aussehen zum Vorteil. Wie von einer Schreibfeder freigeweht öffnete sich mir nämlich nach und nach ein Gang in die vordersten Stuhlreihen (welche Muse hatte hier wohl ihre Finger im Spiel?!), so dass ich allen Passagen aus „Passagier 23“ gebannt folgen und dem darauffolgendem, öffentlichen Gespräch mit einer Droemer-Knaur Vertreterin problemlos lauschen konnte.

In Hinblick auf seinen aktuellsten Roman (den ich aufgrund der Erfahrungen mit dem ‘Nachtwandler’ bisher gemieden hatte) berichtete Fitzek, dass er kein klassisches ‘Traumschiff-Szenario’ entwerfen, sondern das natürliche Geschehen unter Deck eines Luxusliners für jeden erkennbar darstellen wollte. All das, was der normale Passagier einer Kreuzfahrt nun einmal nicht sieht oder sehen darf, sollte für den Leser und die Handlung, die im Übrigen für ihn selbst ab Seite achtzig schon eine starke Wendung erfährt, verdeutlicht werden.

Grundsätzlich steht bei ihm ansonsten während dem Schreiben nicht die Täterfrage, sondern mehr das Zwischenmenschliche, wie „Warum macht Person X dies und jenes?“ oder „Woher kommt dies und jenes Geschehen?“ im Vordergrund. Sebastian Fitzek wird mehr von den psychischen Hintergründen einer Figur, als den physischen Aspekten motiviert, aber diese Fakten konnten man ja bereits anderen Interviews entnehmen. Was aber noch interessant war, ist, dass bei ihm (ähnlich wie bei den Büchern von John Katzenbach – dem Fitzek zu seiner eigenen Freude schon einmal persönlich begegnet ist) die eher unwichtigen Personen, die Randcharaktere des Lebens, im Mittelpunkt der Handlung stehen. Es sind die Normalos aus denen sich seine Geschichten entwickeln, wie Herr Kosolowski, der nichtsahnend ein Paket für seinen Nachbarn entgegennimmt und dann plötzlich Teil einer großen Verschwörung wird. (Ein nette, kleine Schreibanekdote, welche an dieser Stelle zum Besten gegeben wurde.) Wobei auch nicht aus den Augen gelassen werden darf, dass es Fitzek sehr wichtig ist, selbst mit den Charakteren machen zu können, was ihm gerade beliebt und keinem starren Korsett folgen zu müssen.

Im Prinzip sei das Thriller-schreiben für ihn mit der Aufführung einer Komödie vergleichbar. Man muss die Pointe schon im Kopf haben, der Rest ergibt sich dann fast ganz von alleine drumherum, denn manchmal drehen und wandeln sich die Figuren auch gerne beim Entstehen.

Beim Signieren...

Positiv ist ebenfalls auf jeden Fall (und zu meiner Überraschung!) hervorzuheben, dass Fitzek selbst auf die inhaltlichen Fehler seiner letzten Werke zu sprechen kam und sich die im Eifer des Gefechts entstandenen Fauxpas einzugestehen wusste. (Obwohl die dabei tragisch-tragende Rolle der Lektoren in der heutigen Verlagswelt, welche ein Buch zeitlich nur einmal lesen und parallel noch entsprechend korrigieren müssen, auch sehr aufschlussreich war.)
Was mich sich schließlich wieder mit ihm versöhnen ließ und man nur hoffen kann, dass er zu seinen einstigen Wurzeln zurück finden mag. Zumindest wage ich nun einen näheren Blick in „Passagier 23“, das natürlich noch vor Ort den Weg in meine Tasche fand und im Anschluss der Lesung superfreundlich signiert wurde.

Insgesamt noch überschwänglich und glücklich von meinem Treffen mit Fitzek, machte ich mich nun also auf die Suche nach meinen eigenen Männern, was gar nicht so leicht war. Denn abgesprochen war eine Beschreibung des Standortes via Handy, doch nur mein Gerät war im E-Plus Netz nicht überlastet. Die anderen Nutzer hatten allesamt weniger Glück. Fündig wurde ich schlussendlich nach einiger Zeit am ‘Spiegel(-Verlag)’, wie sollte es bei uns auch anders sein.

Nun konnten wir endlich in Ruhe durch die einzelnen Hallen schlendern und stöbern. Neben belanglosem wie Esoterik-Büchern von Christian Anders und den wichtigen, aber leider x-hundersten Zeitzeugenerzählungen, gelangten wir über einen Stand ‘Der Wächter von Avalon’ mit wunderschönen Lesezeichen-Replikaten, schließlich zu einem idyllischem, schottischen Pfleckchen, das frisch aus den Highlands nach Leipzig exportiert wurde. Erst später war uns bewusst, dass man ähnlich wie bei Rothfuss den Romanen von Diana Gabaldon leider nur oberflächlich Beachtung geschenkt hatte. Ihre Werke erhalten aber gewiss bald Einzug bei uns.

Einmal frisch gedruckt =)

Doch auch Sohnemann (ein geduldigerer Messebesucher, als manch Erwachsener) kam beim Hoerverlag und seinem ein paar Stände weiter eigens angefertigten Buchdruck, vollends auf seine Kosten.

Von den Biographien, über einem Abstecher zu den großen Verlagen der Branche, wie Carlsen und Goldmann, ließen wir uns (weil wir bedauerlicherweise nicht rechtzeitig die Aufführung „ Der Zauberer der Smaragdstadt“ in den Kammerspielen besuchen konnten) von der Masse in die erste Halle, hin zur Manga Convention treiben. Mit typisch asiatischem Verpflegungsstopp ließ sich das bunte Angebot gleich viel besser erkunden.

Das berühmte Intermezzo

So begrüßte einen ein intensiver, aber freundlicher Geräuschbrei und stieg einem sofort der vertraute Duft des traditionellen Tee-Pavillons (eine Mischung aus Teeblättern und anderen Teenager-Gerüchen) in die Nase. Nach einer Sailermoon-Podiumsdiskussion und einigen Cosplay-Auftritten (Elrond war wirklich authentisch), die wir mitverfolgten, entdeckte mein Mann den Comicwurm Ableger und erfreute sich an den Frankobelgischen Errungenschaften, untere anderem seinem seit Kindesbeinen an liebgewonnenem Buck Danny. Ich hingegen schloss Bekanntschaft mit einer schwarzen Nemu Neko, welche derart anhänglich war, dass sie irgendwie auch mit nach Hause kam. Bevor sich der Tag bereits dem Ende entgegen neigte…

Die diese, wie jeder Messe ansonsten auf jeden Fall innewohnende Hektik sorgte natürlich dafür, dass man leider nicht alle Stationen, welche ich eigentlich gerne angesteuerte hätte, besuchen konnte – dennoch war gerade diese Lebendigkeit ein Teil dessen, was mich endlich wieder frei und in meinem Element angekommen fühlen ließ. So war die Dämmerung schon lange hereingebrochen, als wir uns vom Messegelände verabschiedeten und zufrieden, den Kopf voll mit schönen Eindrücken, das diesjährige Kapitel „Leipzig“ zuklappten.

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