The Girls (Emma Cline)

© Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München; Foto: Lothar Schmid / Madame Figaro / laif; Motiv: IMG / Inga Eiriksdottir

Autor: Emma Cline
Titel: The Girls
Übersetzer: Nikolaus Stingle
Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsdatum: 25. Juli 2016
Seitenzahl: 352
ISBN-10: 3446252681
ISBN-13: 978-3446252684

Rezension:

Die gebürtige Kalifornierin und Wahl-New-Yorkerin, Emma Cline, stellt in ihrem Debütroman „The Girls“ ihre Hauptfigur Evelyn „Evie“ Boyd vor, welche im Handlungszeitraum des Sommers 1969 vierzehn Jahre alt ist.

Als ein Teenager, der einem Bilderbuch entsprungen scheint, versucht Evie, gleich ihren zahllosen Altersgenossen, sich in der Welt zurechtzufinden. Auf diesem Weg begegnet sie einer, auf sie regelrecht hypnotisch wirkenden, Clique von jungen Frauen, denen sie in eine sektenartige Hippie-Kommune auf einer heruntergekommene Ranch im Hinterland von Kalifornien folgt. Dort scheint das junge Mädchen der Erfüllung ihrer Wünsche und Sehnsüchte nahe zu sein, zufrieden damit ihre eingeengte, bürgerliche Familie, respektive ihre nach der Trennung verzweifelt auf der Suche nach männlicher Anerkennung befindliche Mutter, ihre alten Schulkameraden und das am Ende des Sommers anstehende Internat, hinter sich gelassen zu haben. Das Ausleben von scheinbar grenzenloser Freiheit, die einnehmende Wesensart des vorstehenden Mannes der Kommune, Russel, und nicht zuletzt auch der ungehemmte Zugang zu Alkohol sowie Marihuana, sind der Gegenentwurf zum Komplex des Lebens, in welchem sie sich bisher bewegte.

»All die albernen, kryptischen Zeichen von Menschen, die sich damit abgefunden hatten, aus etwas festgelegt, durch die pflichtschuldige Ordnung der Dinge geschoben zu werden.«

Doch durch den Lauf der Geschehnisse und auch auf das Betreiben ihrer voneinander getrennt lebenden Eltern, hin, wird Evie alsbald aus dieser Gruppenwelt herausgerissen. Nachdem ihr schließlich die Rückkehr gelingt, hat sich allerdings, anders als erwartet, das Ambiente in ihrer ‘Wahlfamilie’ bereits drastisch gewandelt. Im Gegensatz zu „dem trägen High“, dass der Leser mit der Ranch verband, erlebt man nun eine diffuse Agressivität, welche unter der Oberfläche der einzelnen Mitglieder brodelt.

Dieser langsam aufgebaute Spannungsbogen kulminiert letzten Endes in einer Gewalttat, die sehr offensichtlich an die von der Manson-Familie verübten historischen Morde an Sharon Tate und anderen, ebenfalls im Kalifornien des Jahres 1969, ausgeübten Verbrechen, angelehnt ist.

Die ansonsten sowohl in der Gegenwart, als auch – durch Erinnerungsrückblenden der Protagonistin – Ende der 60er Jahre spielende Handlung, wurde zudem in ein bildreiches, gar ausuferndes, aber trotzdem ausgesprochen schönes Sprachgewand gekleidet und ist durchgehend aus Evies Perspektive geschildert

Was meine persönliche Meinung betrifft, so fiel es mir anfänglich schwer in das Buch hinein zu finden, da die vermeintlich vollkommen oberflächlichen Probleme eines jungen Mädchens im Mittelpunkt der Geschichte stehen, dies jedoch nicht der eigentlichen Handlungsrealität entspricht. Denn wenn man den Blick einmal von den Sorgen um das eigene Aussehen, dem Verhalten dem anderen Geschlecht gegenüber und der Selbstfindung abwendet, wird man mit einer viel tiefgreifenderen Thematik konfrontiert.

»Später sollte ich folgendes erkennen: wie unpersönlich und habgierig unsere Liebe war, wie sie das Universum absuchte und auf einen Wirt hoffte, der unseren Wünschen Form geben würde.«

Auf diese Art und Weise begegnen dem Leser im Subtext beispielsweise nicht nur der gut dargestellte und mit der ‘Swinging Sixties’-Ära ausklingende Konservatismus einer steifen, auf Konsum ausgerichteten, amerikanischen Gesellschaft, sondern auch ein bis in die heutige Zeit andauernder, wie ausgeprägter Sexismus, der in seinen zahlreichen Facetten von subtil bis exzessiv gelungen wiedergegeben wird.

Selbst wenn ich mich dahingehend – glücklicherweise – in keinen von der Autorin entworfenen, weiblichen Charakteren wiedererkenne, nicht einmal ansatzweise, so existieren sicher viele Parallelen zu den von Frauen oft verkörperten Rollenmodellen oder Selbstbildern. Auch sind die meiner Meinung nach, männlichen Stereotypen zu uniform und blass in ihrer Ausgestaltung. Aber ohne ein gewisses überspitzen der Dramaturgie, lässt sich nun einmal nur schwer ein sensibles Material in den Fokus der Öffentlichkeit rücken.

Doch anderseits geht es in dem Erstlingswerk von Emma Cline im Prinzip auch nur um etwas, nachdem ein jeder irgendwann einmal auf der Suche ist: nämlich die wahre Liebe sowie Anerkennung und Wertschätzung von einem selbst (damit man in der Welt nicht verloren geht).

Ferner würde ich das Buch unglaublich gerne einmal aus der männlichen Warte lesen, um somit vielleicht den Sexismus zuvor kommen und aufzeigen zu können, dass Jungen, als auch Männer gewiss die gleichen Unsicherheiten wie Frauen und Mädchen besitzen und es ebenso Exemplare dieser ‘Spezies’ gibt, die Liebe auf eine ähnliche Art, wie ihre Partnerinnen empfinden. Schließlich existieren so unendliche viele Formen von dem wichtigsten Gefühl der Welt, das man dieses nicht nur auf die Sexualität (egal ob, wie im Buch, homo,- oder heterosexueller Natur) und die Anerkennung von verschiedenen Schönheitsformen reduzieren sollte.

Außerdem bin ich der Ansicht, dass die Protagonistin, vor allem in Anbetracht der damaligen Zeit und der sozialen Stellung, mindestens zwei Jahre zu jung für das Handlungsgeschehen ist, selbst unter Berücksichtigung des in die Geschichte eingeflochtenen ‘Hippietums’. Auch kann ich unter keinem Umständen die stark verherrlichte und vorherrschende Darstellung des Drogenkonsums unterstützen.

»War es seltsam das Menschen diese Geschöpfe liebten, die ihnen Schaden zufügen konnten?«

Dafür greift die Geschichte allerdings gut die Wandlung der offenen, allzu sicheren Gesellschaft, nach einem schweren Gewaltverbrechen, hin zur Verletzlichkeit derselben auf. In dem gleichen Maß beschäftigt einen das Spannung-verheißende hinter den Ereignissen der Hauptcharaktere und inwieweit Evelyn Boyd in die erschütternden Taten der Kommune verstrickt ist, wodurch man zumindest zu jedem Zeitpunkt an der Auflösung der Handlung interessiert ist. Genauso kann man der Geschichte positiv anrechnen, dass der Hintergrund und die (Eigen)Dynamik einer Sekte ausführlich beleuchtet wurde.

Summa summarum bleibt ein interessanter Roman, der sicher nicht jeden ansprechen wird, aber dennoch lesenswert ist!

Wertung: 5 /7 Schreibfedern

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