Menschenrechte (Martin Klingst)

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Autor: Martin Klingst
Titel: Menschenrechte
Verlag: Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag
Erscheinungsdatum: 07. September 2016
Seitenzahl: 100
ISBN-10: 3150204224
ISBN-13: 978-3150204221

Rezension:

Freiheit, Gleichheit, Solidarität: die Dreifaltigkeit der Menschenrechte.

„Menschenrechte“ von Martin Klingst aus der Hundert-Seiten-Reihe von Reclam ist ein kleines Buch mit großem Inhalt. So greift der Text unter anderem die Chronologie und Entwicklung der Menschenrechte sowie die Geschichte von Amnesty International auf, bei der zum Beispiel die Entstehung und Differenzierung der eigenen Ideologie gut zum Tragen kommt.

»Folgende Wahrheiten erachten wir al selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; dass dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.«
(Amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776)

Als eine Art roter Faden zieht sich zudem die Frage der Definition von Menschenrechten durch die Lektüre. Sehr bestimmt werden die dort als klassisch bezeichneten Menschenrechte – Würde, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit sind die prominentesten Vertreter dieser Art, die sich in den grundlegenden Deklarationen wie die der UN von 1948 wiederfinden –, erfasst. Deutlich differenzierter und in Teilen auch kritisch ob der Sinnhaftigkeit, werden zudem die „sozialen Menschenrechte“ benannt. Denn wo für eine westliche Industrienation ein Recht auf Wohnraum, Bildung oder kostenfreie medizinische Versorgung moralischer Standard sein kann, ist das Potential zur Verwässerung des Konzeptes „Menschenrecht“ in Staaten, die schlechterdings weder Wohnraum noch Bildung auf dem erforderlichen Bedarfsniveau bereitstellen können, beträchtlich. Wer ein Menschenrecht auf etwa Wohnraum nicht sichern kann, findet als staatlicher Akteur auch weniger Skrupel darin, beispielsweise die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Dabei sticht einem vor allem auch die Propaganda der einzelnen Parteien während dem Kalten Krieg ins Auge. Der Westen bestand beispielsweise eher auf die bürgerlichen sowie politischen und der Osten auf die sozialen Menschenrechte. Außerdem definierte sich Amnesty International erst nach Beendigung des Zwei-Frontenkrieges 1991 bei einer Versammlung in Yokohama zu der heutigen Institution, was ebenfalls nicht jedem bekannt ist.

Ferner erzählt Martin Klingst selbst aus seiner Familienbiografie und dem Leben mit der Arbeit und Konfrontation von Menschenrechtsorganisationen.
Gerade diese Biografie als journalistisch tätiger Rechtsgelehrter prädestiniert Klingst dazu, eine Meinung, und zwar die eindeutig zustimmunsgwürdige Seine, zu aktuellen Entwicklungen abzugeben.

» Denn wenn Demokratien keine Vorbilder mehr sind, wer dann? «

Doch Menschenrechte generell sind und werden auf Dauer ein Thema von immenser Bedeutung bleiben. Denn selbst in Demokratien, zu deren Wesen die Verarbeitung dissidenter Ansichten gehören sollte, schleicht sich seit Langem eine fatale Ignoranz gegenüber selbst grundlegender Rechte, wie Glaubensfreiheit und gar die der Würde des Individuums, ein. Zur Machtsicherung der Volksvertreter wird ein – situativ manipulierbarer – Volkswille auf Basis eines Wählervotums angenommen und beispielsweise in Ungarn und Polen zur Beschädigung, wenn nicht gar Zerstörung, der Institutionen der fundamentalen demokratischen Gewaltenteilung angesetzt. Nicht zuletzt werden Justiz und Presse in Reminiszenz an nationalsozialistischer Handlungen in den 1930er Jahren gleichgeschaltet oder gar entmachtet.
Auch die Türkei, noch in den 1970er Jahren ein vorbildlich laizistischer Staat, ist auf einem politischen Weg, an dessen Ende eine autokratische Theokratie, eine Militärdiktatur (sofern ein neuer Putsch gelingt) oder eine andere Variante eines so zu bezeichnenden Failed State stehen wird. Ein Endresultat, in dem sich dieses Land mit einem anderen, sehr großen und vielfach Menschenrechte verletzenden Staat, gemein machen wird: den Vereinigten Staaten von Amerika, die vermeintlich größte Bastie der Freiheit. Wurden unter Präsident Obama noch hunderte Zivilisten bei Drohnenangriffen getötet und nur zögerlich die Foltervergangenheit der Gefangenenlager in Guantánamo Bay aufgearbeitet, ist ein Präsident Trump nur schwerlich von einem erschreckend ahnungslosen Diktator zu unterscheiden.

Daher werden auch mögliche Ursachen für die jüngsten politischen Entwicklungen, einschließlich der Flüchtlingswelle und deren Analyse in diesem Buch nicht außer Acht gelassen und erhalten in demselben Maß Aufmerksamkeit, wie die in der Erzählung aufgeführten Menschenrechtsverbrechen. Seien es nun von Demagogen und Despoten oder den von Demokratien verübten Taten.

Man erkennt schnell, dass die Menschenrechte und Freiheit jedes Einzelnen leider nur theoretisch unveräußerlich sind und letztendlich ein wackliges Konstrukt bleiben, das es mehr denn je zu schützen gilt und für das dieses Büchlein ein kleiner Hoffnungsträger der Erkenntnis ist.

Natürlich bietet Reclam noch andere Werke aus dieser besonderen Reihe, wie John F. Kennedy und Marie Curie oder Superhelden, an. – Hier kann ich zwar nicht für alle sprechen, aber ich finde ein Blick in die entsprechenden Ausgaben ist nicht nur für bereits Fachkundige absolut lohnenswert!

Der Buch-Trailer zur Reihe:

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