Drei Meter unter Null (Marina Heib)

© Nele Schütz Design, München – Unter Verwendung von shutterstock/donatas1205

Autor: Marina Heib
Titel: Drei Meter unter Null
Verlag: Heyne Verlag
Erscheinungsdatum: 06. März 2017
Seitenzahl: 256
ISBN-10: 3453271114
ISBN-13: 978-3453271111

Rezension:

Schnell, Spannend und emotional spaltend – So lässt sich Marina Heibs neustes Buch „Drei Meter unter Null“ zusammenfassen. Der Roman, der kurz vor der Wendezeit beginnt und sich bis ins Heute zieht, handelt von einer Protagonistin, die sich als Kind nichts anderes wünscht, als wenn sie groß ist, einmal Pippi Langstrumpf zu werden. Oder Tarzan. Gerne auch Winnetou. Doch ein schicksalhafter Tag in ihrem Leben zwingt sie schließlich dazu ihr bisheriges Dasein in den Schatten zu stellen.

»Ich fragte ihn weinend, warum es wichtig sei, dass alle Menschen normal sind. Brauchte die Welt denn so viele Ingenieure und Ärzte, aber keinen einzigen Winnetou oder Tarzan? Er lächelte mich traurig an. ‘Weißt du, meine Süße, die Welt, in der wir leben, die braucht in der Tat hauptsächlich Ingenieure und Ärzte. Aber es ist eine armselige Welt…’«

Sie entschließt sich Mörderin zu sein. Der Wolf, der den Schafspelz abstreift und andere Wölfe, ihr Rudel, unerbittlich jagt.

Auf dieser Hatz begleitet der Leser die junge, anfänglich namenlose Frau. Man erlebt ungefiltert wie sich der Wandel oder vielmehr die Metamorphose des Hauptcharakters vollzieht, wie der nicht passende Mantel der Normalität abgestreift wird und gelangt letztendlich zu den Wurzeln der Geschichte. Sowohl was die der Täterin, als auch die der Handlung an sich betrifft.

»Wie ich war, was ich nicht war, bevor ich wurde, was ich bin.«

Ganz ehrlich? Ich muss sagen, dass ich lange nicht mehr so begeistert von einem deutschsprachigen Thriller – Sebastian Fitzeks Romane einmal außer Acht gelassen – war, der einen noch dazu von der ersten bis zur letzten Seite fesselt und einen gleichsam überzeugt. Der kurze, prägnante Schreibstil der Autorin, die Ich-Erzählerin in der Täter-Perspektive und die gelungene Strukturierung der Geschichte sprechen bereits für sich. Positiv ist auch, dass das Buch allein durch die Gedanken und Taten der Hauptfigur zum Tragen kommt, auf deren Lebensmittelpunkt das Augenmerk der Handlung liegt. Dabei bedarf es keiner zusätzlichen Action, auch keinen langatmigen, klassischen Ermittlungsgeschehen oder gar überflüssiges Melodram.
Ob die Handlung nun unbedingt immer authentisch ist, sei mal dahingestellt. Denn viel wichtiger ist, dass diese emotionale Tiefe besitzt und stimmig wirkt. Beide Kriterien sind für mich absolut erfüllt. Selbst wenn ich bezweifele, dass es 1984 bereits für die Staatsbürger der DDR möglich war, einen privaten Vaterschaftstest durchzuführen; was jedoch auch der einzige, erkennbare Logikfehler an dem Ganzen ist.

»Ich jage Wölfe, aber es gibt Menschen in dieser Stadt, die mich jagen. [...] Aber sie sind wacher als sonst. [...] Denn wenn sich an einem Ort mehrere Wölfe zusammenrotten, riechen die Schafe irgendwann die Gefahr und fangen an zu blöken. Von wegen Schweigen der Lämmer.«

Mich persönlich sprach allein schon die im Buch verdeutlichte Liebe zum Meer und die wunderbar eingeflochtene Parabel der Wölfe, Lämmer und Schafe an. Außerdem war die psychologische Komponente des permanenten Zwiespalts zwischen der der Norm entsprechenden Moral und Empathie gegenüber der Protagonistin hoch interessant. Nicht nur was das eigene Dilemma betrifft, in das der Leser gezogen wird, sondern auch den Spagat den die Hauptfigur vollführt. Überhaupt gefiel mir die stille Gesellschaftskritik des steten Strebens nach (Gruppen)Integrität und Normalität.

»’Nur wer gar nichts muss, ist frei.’«

Gleichzeitig heben sich die Zwischenüberschriften der einzelnen Kapitel klasse hervor und genauso ist auch der Titel der Romans gut gewählt, selbst wenn sich der Bezug dazu erst in letzten Drittel der Lektüre knüpfen lässt. Insgesamt bekommt man mit „Drei Meter unter Null“ also ein leider zu kurzes, aber raffiniert abgestimmtes Werk, dass ich nur jedem ausdrücklich empfehlen kann!

Wertung: 6 /7 Schreibfedern

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