[01. Juli 2017] Prima – Donna im Theater

Berauschender Applaus und wogende Wellen. Letztere sind zwar nur als Bühnenbild aufgemalt, doch wer schon einmal in Venedig war, fühlte sich jüngst im Meininger Theater sofort in die Lagunenstadt und diesen besonderen Ort zurück versetzt. Alle anderen packt sicherlich die Sehnsucht nach der norditalienischen Hafenstadt und der Heimat von Commissario Brunetti.

In Donna Leons Romanen ist Brunetti Tätern der Mafia, aus dem Adel und dem gemeinen Volk auf der Spur, klärt Verbrechen, Tragödien und Komödien auf, und wird von seiner geistigen Mutter Leon doch immer wieder in ein stabiles Gewand der Menschlichkeit gepackt.
So auch im derzeit neuesten Roman „Stille Wasser“, dem sechsundzwanzigsten Fall der Serie.

Neben zwei Kapiteln, welche die Autorin in Englisch aus ihrem aktuellem Werk vorlas, plauderte die gebürtige Iranerin auch aus dem Nähkästchen und beantwortete Leserfragen. Dabei wirkte Donna Leon stets sympathisch und lebensnah. Für die Übersetzungen permanent an ihrer Seite: die Schauspielerin Annett Renneberg, die Leon auf all ihren europäischen Lesereisen begleitet und unter anderem eine Rolle einer „Brunetti-Figur“ in den deutschen Buch-Verfilmungen spielte. „So schön hatten wir es noch nie“, übersetzte sie simultan Donna Leons ersten Eindruck des eigens für die Lesung angefertigten venezianischen Bühnenbildes. „Das ist ja beinahe wie bei meiner Lesung in Chicago“, beschreibt Leon den Eindruck vom großen Saal des Meininger Stadttheaters. Ob sie denn schon einmal in Meiningen gewesen wäre kam im Zuge dessen eine Publikumsfrage auf. „Ganz oft, früher mal… Hier drin“, meinte die Autorin mit einem Augenzwinkern und deutete auf ihren Kopf. Schmunzeln und einzelne Lacher hallten ihr als Antwort entgegen.

Doch liest Donna Leon eigentlich auch privat gern? Oder nur beruflich? Und was kommt der welterfahrenen Frau dabei vor allem unter die Augen? – Ja, sie lese gern, nur fehle ihr oft die Zeit dafür. Besonders wenn sie gerade arbeitet. „But now, I’m free. So I can read“, verriet sie. Damit spielt Leon auf ihr fertig gestelltes Werk um den Commissario an. Fünfundzwanzig Ermittlungen haben Familienvater Brunetti so mürbe gemacht, dass er erschöpft eine Erholungspause bei Verwandten seiner Frau Paola antritt, fernab von Arbeit und Verbrechen. So zumindest der Plan, doch dieser geht nicht auf – und der Kommisar muss wieder ermitteln.

Privat interessiere sie beim Lesen aber hauptsächlich historische Romane und Sachbücher. Fantasy und Fiktion käme ihr nichts ins Bücherregal. Aber wie sieht es mit Schreibblockaden aus? Bisher hätte sie noch keine gehabt. Natürlich kenne sie das Phänomen, doch sie glaubt, es liegt auch an der Schreibeinstellung eines Autoren, ob man denn eine bekommt oder nicht. So sieht Donna Leon das Schreiben direkt als Arbeit und nicht als Freizeitvergnügen an. Selbstverständlich schreibt sie gern, aber „es bleibt Arbeit, mit fest dafür eingerichteten Schreibzeiten“. „Es ist beinahe wie früher mit den Hausaufgaben. Ein Buch ist für mich eine Art Hausaufgabe und erst wenn alles fertig ist, kommt das Vergnügen“, gab sie zu. Auch im Vergleich zu manch anderem Kollegen hat sie keine feste Handlung oder einen „Bücherplan“ im Kopf, an den sie gebunden ist. Einzelne Buchelemente und -Szenen kommen ihr einfach in den Sinn, sind aus dem Leben gegriffen und gründen auf ihren zwischenmenschlichen Erfahrungen oder Begegnungen. „Ich weiß nicht wo die Reise hin geht“, erklärte sie.

Eine Station für die 27. Reise, nämlich den nächsten Brunetti-Fall, der März 2018 erscheinen soll, mochte und konnte Donna Leon dennoch schon erzählen. So wird sie künftig einen Dialog, den sie selbst einmal schier gedankenverloren auf einer Abendveranstaltung mit einer Dame über Manschettenknöpfe führte, im nächsten Roman ihrem Commissario in den Mund legen – eine unterhaltsame Passage, auf die sich ihre Leser bereits heute freuen und die gut zeigt, dass die Autorin ihre Inspirationen gern aus dem Alltäglichem gewinnt.

Donna Leon beim Signieren - (c) Sarah McCourt

Etwas, das manch einem vielleicht ungewöhnlich erscheinen mag, aber das durch den Erfolg bestätigt, das Richtige zu sein scheint. Auch an diesem sommerlichen Abend. Bei dem ferner das sich der Lesung anschließende Signieren natürlich nicht fehlen durfte.

Donna Leon selbst ist und bleibt mit ihrer offenen wie wachen Art für mich auf jeden Fall ein gutes Beispiel dafür, dass auch berühmte Schriftsteller nicht die Bodenhaftung oder gar den Kontakt zu ihren Lesern verlieren. Im Gegenteil: Sie lässt das Lesevergnügen, auch für Brunettis alte Fälle, wieder neu aufleben! Wem sich also eine Lesung mit Donna Leon erschließen sollte, ist diese nur ans Herz zu legen.

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