Für die eigenen, kleinen und großen Erlebnisse rund um das Kalenderjahr.
- [01. Juli 2017] Prima – Donna im Theater
- [08. Juni 2017] Ein Contemporary der Worte
- [22. Mai 2017] Kleine Buchwege zum Glück
- [04. Mai 2017] Die Magie des Erzählens (Lesung Saša Stanišić)
- [30. März 2017] Der Leipziger Literaturmarathon – Ein Messerückblick
- [19. März 2017] Von bunten Schnauzen und Leseratten – Ein Buchrelease in Berlin
- [11. März 2017] Zu Gast in der Stadtbibliothek: Sabine Ebert
- [27. Januar 2017] Hospitierende Bücher
- [21. Januar 2017] Rundherum und gerade heraus – Der 12. Meininger Sport- und Presseball
- [31. Dezember 2016] Nach Schaltjahr und Schaltsekunde – Ein Blick zurück
- [22. Oktober 2016] Ein Tresor der Literatur – Die Frankfurter Buchmesse
- [20. März 2016] Jüngste Zeitungseule
- [01. Januar 2016] Altes Kapitel abgeschlossen – Neues eröffnet?!
- [12. November 2015] O-Tons und andere, kreative Sprachschöpfungen
- [12. Oktober 2015] Der Junge der immer leben wird – Harry Potter und der Stein der Weisen: Die Neuillustration
- [07. September 2015] Medicus, Musen und metamorphosierte Mäuse
- [03. August 2015] Immer der Nase nach… Oder horch, was ließt von draußen herein.
- Bücher, Bücher, Hunderttausend Bücher – Leipziger Buchmesse [14. März 2015]
- Jahresrückblick 2014
- Neuauflage [22. März 2013]: Heimat – Ein unergründlicher Hafen der Möglichkeiten?!
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[01. Juli 2017] Prima – Donna im Theater
Berauschender Applaus und wogende Wellen. Letztere sind zwar nur als Bühnenbild aufgemalt, doch wer schon einmal in Venedig war, fühlte sich jüngst im Meininger Theater sofort in die Lagunenstadt und diesen besonderen Ort zurück versetzt. Alle anderen packt sicherlich die Sehnsucht nach der norditalienischen Hafenstadt und der Heimat von Commissario Brunetti.
In Donna Leons Romanen ist Brunetti Tätern der Mafia, aus dem Adel und dem gemeinen Volk auf der Spur, klärt Verbrechen, Tragödien und Komödien auf, und wird von seiner geistigen Mutter Leon doch immer wieder in ein stabiles Gewand der Menschlichkeit gepackt.
So auch im derzeit neuesten Roman „Stille Wasser“, dem sechsundzwanzigsten Fall der Serie.
Neben zwei Kapiteln, welche die Autorin in Englisch aus ihrem aktuellem Werk vorlas, plauderte die gebürtige Iranerin auch aus dem Nähkästchen und beantwortete Leserfragen. Dabei wirkte Donna Leon stets sympathisch und lebensnah. Für die Übersetzungen permanent an ihrer Seite: die Schauspielerin Annett Renneberg, die Leon auf all ihren europäischen Lesereisen begleitet und unter anderem eine Rolle einer „Brunetti-Figur“ in den deutschen Buch-Verfilmungen spielte. „So schön hatten wir es noch nie“, übersetzte sie simultan Donna Leons ersten Eindruck des eigens für die Lesung angefertigten venezianischen Bühnenbildes. „Das ist ja beinahe wie bei meiner Lesung in Chicago“, beschreibt Leon den Eindruck vom großen Saal des Meininger Stadttheaters. Ob sie denn schon einmal in Meiningen gewesen wäre kam im Zuge dessen eine Publikumsfrage auf. „Ganz oft, früher mal… Hier drin“, meinte die Autorin mit einem Augenzwinkern und deutete auf ihren Kopf. Schmunzeln und einzelne Lacher hallten ihr als Antwort entgegen.
Doch liest Donna Leon eigentlich auch privat gern? Oder nur beruflich? Und was kommt der welterfahrenen Frau dabei vor allem unter die Augen? – Ja, sie lese gern, nur fehle ihr oft die Zeit dafür. Besonders wenn sie gerade arbeitet. „But now, I’m free. So I can read“, verriet sie. Damit spielt Leon auf ihr fertig gestelltes Werk um den Commissario an. Fünfundzwanzig Ermittlungen haben Familienvater Brunetti so mürbe gemacht, dass er erschöpft eine Erholungspause bei Verwandten seiner Frau Paola antritt, fernab von Arbeit und Verbrechen. So zumindest der Plan, doch dieser geht nicht auf – und der Kommisar muss wieder ermitteln.
Privat interessiere sie beim Lesen aber hauptsächlich historische Romane und Sachbücher. Fantasy und Fiktion käme ihr nichts ins Bücherregal. Aber wie sieht es mit Schreibblockaden aus? Bisher hätte sie noch keine gehabt. Natürlich kenne sie das Phänomen, doch sie glaubt, es liegt auch an der Schreibeinstellung eines Autoren, ob man denn eine bekommt oder nicht. So sieht Donna Leon das Schreiben direkt als Arbeit und nicht als Freizeitvergnügen an. Selbstverständlich schreibt sie gern, aber „es bleibt Arbeit, mit fest dafür eingerichteten Schreibzeiten“. „Es ist beinahe wie früher mit den Hausaufgaben. Ein Buch ist für mich eine Art Hausaufgabe und erst wenn alles fertig ist, kommt das Vergnügen“, gab sie zu. Auch im Vergleich zu manch anderem Kollegen hat sie keine feste Handlung oder einen „Bücherplan“ im Kopf, an den sie gebunden ist. Einzelne Buchelemente und -Szenen kommen ihr einfach in den Sinn, sind aus dem Leben gegriffen und gründen auf ihren zwischenmenschlichen Erfahrungen oder Begegnungen. „Ich weiß nicht wo die Reise hin geht“, erklärte sie.
Eine Station für die 27. Reise, nämlich den nächsten Brunetti-Fall, der März 2018 erscheinen soll, mochte und konnte Donna Leon dennoch schon erzählen. So wird sie künftig einen Dialog, den sie selbst einmal schier gedankenverloren auf einer Abendveranstaltung mit einer Dame über Manschettenknöpfe führte, im nächsten Roman ihrem Commissario in den Mund legen – eine unterhaltsame Passage, auf die sich ihre Leser bereits heute freuen und die gut zeigt, dass die Autorin ihre Inspirationen gern aus dem Alltäglichem gewinnt.
Donna Leon selbst ist und bleibt mit ihrer offenen wie wachen Art für mich auf jeden Fall ein gutes Beispiel dafür, dass auch berühmte Schriftsteller nicht die Bodenhaftung oder gar den Kontakt zu ihren Lesern verlieren. Im Gegenteil: Sie lässt das Lesevergnügen, auch für Brunettis alte Fälle, wieder neu aufleben! Wem sich also eine Lesung mit Donna Leon erschließen sollte, ist diese nur ans Herz zu legen.
[08. Juni 2017] Ein Contemporary der Worte
»Und was ist das für ein Leben, für einen Dichter? Dichter nennen sich Slam-Poeten und was machen sie? Poesie für die Unterhaltungsindustrie – braucht ständig neue Gesichter, für den Club der Toten Dichter. Wer spielt Henker und Richter, wer wird Germany’s next Dichter?«
Yusuf Riegers Worte klangen noch lange im Alten Kino am Platz an der Kapelle nach. Doch nicht nur seine. Mit dem Literaturstudenten aus Berlin, der sich mit der deutschen Sprachentwicklung auseinandersetzte und eine Hommage an die Lyrik schuf, brachten fünf weitere Poeten mit dem bereits achten Poetry Slam frischen Poesiewind in die thüringische Kleinstadt.
Berührend, unterhaltsam, politisch, persönlich, es gibt viele und keine Umschreibungen, welche der Kunstform dieses Dicht-Wettbewerbs gerecht werden könnten. Vielleicht einfach nur: Es war ein Vergnügen. Der Saal war schon lange im Vorfeld ausverkauft, das Publikum begeistert und die Künstler übertrafen einander. Felix Römer, selbst langjähriger Slamer, führte wortgewandt wie humorvoll durch den Abend und erklärte die Regeln des Wettstreits, der doch viel mehr ein Miteinander war.
Sechs Poetry-Slamer, sechs Wortbeiträge, sechs Minuten Zeit den Zuhörern sich, seine Gedanken oder die der Welt näher zu bringen. Neun Freiwillige des Publikums, die einzeln oder als Gruppe, subjektiv-demokratisch die Künstler auf einer Skala von eins bis zehn bewerten durften. Wobei Eins für „Gott hat Durchfall“ und Zehn für „dieser Beitrag hat mein Leben verändert, so dass ich nun hinaus gehen, mich scheiden lassen und mit einem Mustang den Sonnenuntergang entgegen fahren werde“, stand. Die höchste und niedrigste Bewertung fiel letzten Endes unter den Tisch, um ein Mindestmaß an Objektivität zu gewährleisten. Zwei Autoren traten immer unmittelbar nacheinander an, die beste Bewertung entschied, welcher der Beiden schließlich zu den drei Finalisten gehörte.
Aylin Celik aus Düsseldorf regte mit ihren Beitrag „Wird die Welt wieder gut? Ja, Nein, Vielleicht?“ zum Nachdenken an. Gut und Böse spielten dabei ebenso eine Rolle, wie aktuell politische Bezüge und die wankelmütige Meinungsbildung der Gesellschaft. “Siehst du nicht wie Menschen Städte aus Kreide malen, dann haben sie bei jedem fallenden Regen, eine neue Wahl.“, proklamierte die junge Dichterin. Ihr folgte Darryl Kiermeier aus München, der mit seinem sympathischen Slam „Vergiss dich nicht“ auf Komplimentenfang ging. Kiermeier regte zur Auseinandersetzung mit dem Selbst und Anderen, an. Dabei betonte er die positiven Facetten des Ichs, schaute kritisch hinter die Fassaden der Eitelkeit und stellte das Miteinander der Menschen ins Zentrum.
Der Eisenacher Matthias Klaß und seine Künstler-Kollegin Miedya Mahmod aus Essen, bildeten das nächste Paar. Klaß verfehlte mit „Auf einem Rasen, zwei Tore aufgestellt“, einer Reise durch die Welten des beliebtesten Mannschaftssports des Landes, vom Kinder-Vereins-Fußball bis hin zur Profiliga und seinem Vergleich von Rentnern und Hooligans, jedoch knapp das Finale.
In „Nicht das, was du denkst“ verpackte Miedya Mahmod mit viel Empathie eines der wichtigsten Gefühle der Menschheit: die Intimität. Denn wer den Blick einmal weg von der Zwanzigerpackung Kondome, den Tampons, Pillen und One-Night-Stands richtete, wurde auf die Träume des Lebens, den Griff nach den Sternen und die zwischenmenschliche Nähe der einem nächsten stehenden Menschen, gelenkt. Mit ihr stellte sie die Frage „Was ist schlimmer: Wenn nichts geschieht oder was passiert?“, in den Raum.
Stefan Dörsing, gebürtig aus Wetzlar, trug indes einen titellosen Beitrag über den Zettel am Ende eines Teebeutels vor. Der Satz des Zettels, „Sei dir bewusst, dass du der andere bist“, wurde für viele Besucher zu einem einprägsamen Erlebnis. Vielfältig und unterhaltsam erklärte Dörsing nämlich die zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten dieser acht Worte und brachte sogar neue Abwandlungen des Satzes ein. Trotz seiner Kreativität gehörte nicht er, sondern Yusuf Rieger schließlich zu den Finalisten, welcher mit einem Text an seine Mutter und über das „Dichter sein“ auftrumpfte. Er lebe lieber in seinen eigenen Träumen, als den eingebildeten Sorgen, meinte der Publikumsliebling.
So standen Yusuf Rieger, Miedya Mahmod und Darryl Kiermeier schnell als Trio der Finalrunde fest, in welcher der Applaus – auch in gehörloser Form – darüber entschied, wer das Wortgefecht für sich gewinnen würde. Noch einmal warfen alle neue Verse in die Waagschale. Mahmod mit ihrem sehr persönlichem Beitrag und einem (Rück-)Blick mit Zwängen, aber auch Liebe. Rieger mit dem Studium der Literatur und einer Hommage an die Sprache, wie auch Kiermeier mit der Findung der Männlichkeit und einem selbst in „Mein Leben – Ein Drama in drei Akten“.
Es kam, sprach und siegte: Yusuf Rieger, der die Botschaft, das das Schicksal der Dichtkunst in unser allen Händen läge und hier nicht enden dürfe in die Welt trug.
»Denn wenn keiner mehr den Tod besiegt und niemand nach dem Höchsten strebt, wenn Faust nicht mit dem Teufel ringt, während Hölderlin im Wahnsinn lebt, wenn Rilke nie auf Reisen geht und Hesse nie nach Innen reist, dann ist die Welt vom Sinn entleert, weil keiner mehr die Sinne preist.«
[22. Mai 2017] Kleine Buchwege zum Glück
Neben der Liebe zur Literatur gilt eine weitere meiner Passionen dem Reisen. Wem es genauso geht und wer beides gerne miteinander verbindet, aber von dem Schweifen in die Ferne den Blick auch einmal auf Nahegelegenes richten möchte, dem lassen sich – sofern man in die beschauliche Theaterstadt Meiningen (Südthüringen) findet – drei Buchheime ans Herzen legen, bei denen sich ein Besuch immer lohnt.
Zum einen die Buchhandlung Lohmann. Wenn man nämlich mit wachen Augen durch die Fußgängerzone Meiningens geht, öffnet sich einem in der Innenstadt ein Schaufenster in eine andere Welt. Denn nicht nur zu den unterschiedlichen Jahreszeiten empfängt einem diese Buchhandlung mit einer stets detailreich dekorierten Front, sondern man erahnt auch sofort an der tollen Gestaltung, welche Art der Bücherliebe von Constanze Schmidt und ihren Kolleginnen von dieser Buchhandlung ausgeht. Egal ob schmucke Lese-Eulen, Frühlingsdekore oder nur ein Hinweis auf die nächste Leseveranstaltung, man fühlt sich immer herzlichen eingeladen.
Gegründet wurde das Geschäft bereits am 15. Januar 1932 durch Lilly Lohmann und ihrer damals 18-jährigen Tochter Anneliese. Was einst als Leihbücherei begann, sollte schon ein Jahr darauf mit dem Start von Buchverkäufen zu etwas Besonderem avancieren.
Denn selbst Kriegs- und Brandschäden wurden überstanden und mehreren Umzügen zum trotz blieb die Buchhandlung fester Bestandteil der Stadt. Nach dem Tod der Gründerin übernahm beispielsweise Ende der 60er Jahre Lilly Lohmanns Tochter, Anneliese Weida, das Geschäft, welches von 1971 bis zum 30. April 1990 Kommissionsbuchhandlung des Volksbuchhandels der DDR war. In den Siebzigern wiederum wurde der Staffelstab traditionell an Weidas Tochter, Heiderose Schulz, weitergereicht. Nach erneut mehreren demografisch geschuldeten Standortwechseln war das Geschäft am 29. Juni 1991 schließlich dort, wo es noch heute zu finden ist: In der Georgstraße/Ecke Ludwig-Chronegk-Straße.
Die Familiengeschichte endete zwar 2004 mit der Übernahme der Buchhandlung von Maria Hermann, die das Geschäft schlussendlich zum 13. Februar 2007 an die dort über ein Jahrzehnt Langzeitbeschäftigte Constance Schmidt, verkaufte – doch die Chronik der starken Frauen wurde weiter erzählt und fort geführt.
Das Büchersortiment vor Ort reicht von Regionalem über Neuerscheinungen bis hin weniger bekannten Autorenperlen. Somit ist für jeden Bibliophilen immer die passende Lektüre zu finden. Außerdem überzeugt die Buchhandlung durch Leserfreundlichkeit und einer entspannten Atmosphäre, in der man gemütlich das Bücherangebot studieren kann (auch online im Blog). – Lohmann ist auf jeden Fall ein tolles Beispiel dafür, dass der stationäre Buchhandel lebt, (auf)blühen kann und soll, gefördert werden muss und lokale Buchhandlungen noch immer ein unerschöpflicher Bücherquell sind.
Anderseits lädt ebenso die Stadt- und Kreisbibliothek Anna Seghers zu einer Stippvisite ein. Auf mehreren Etagen lassen sich Klassiker, ebenso wie Neuerscheinungen und eine gute Auswahl an Hörbüchern wie anderen Medien finden.
Für die kleinen Gäste gibt es nicht nur einen separaten Kinderbibliotheks-Bereich, der von dem Künstler Sven Magnus fantasievoll gestaltet wurde – zum Beispiel prangt der Drache KiBi stolz über seiner ‘Lesehöhle’, sondern auch Vorschüler der örtlichen Kindertagesstätten haben die Möglichkeit einen Bibliotheksführerschein, kurz den KiBi-Pass, zu machen. Ein Projekt, bei dem die Kinder den spielerischen Umgang mit Büchern, aber genauso die Schönheit wie Vielfalt des Bibliothekswesens entdecken. So verliert man nicht die Hoffnung, dass künftige Bücherwürmer schon in jungen Jahren zarte Bande zur Literatur knüpfen. Auch der Lesehof im Außenbereich lädt bei schönem Wetter zum Schmökern ein.
Außerdem schlüpft Mitarbeiterin Silvia Prüfer immer wieder in die Rolle der Märchenerzählerin Frau Holle und verzaubert zusammen mit Cornelia Schmädicke, gelernte „Storytellerin“, sowie ihren neuen Geschichtenadaptionen kleine und große Zuhörer. Generell gibt es immer kreative und vielfältige Mitmach-Angebote für alle Interessenten jeden Alters. Zum Beispiel den Europa-Buchpreis, den die Lesejury der „Anna Seghers“ Stadt- und Kreisbibliothek in Kooperation mit der französischen Mediathéque de l’Europe aus Bussy-Saint-Georges und der Radcliffe-on-Trent Library in Großbritannien, jährlich verleihen. Daher kann man nicht nur während der Frühlings- wie Herbstlese, zu denen sich viele Autoren in den Bibliotheks-Räumlichkeiten einfinden, tolle Veranstaltungen erwarten.
Der Rokoko-Lesesaal ist indes das Prunkstück der 1905 gegründeten Bibliothek. Zurückführen lässt sich die Geschichte des Hauses allerdings bereits auf das achtzehnte Jahrhundert. Denn 1782 gab Herzog Georg I von Sachsen-Meiningen die Bibliothek erstmals für die Öffentlichkeit frei. So entwickelte sich die Herzoglich Öffentliche Bibliothek zur Volks, – später durch einen Zusammenschluss zur Landesbücherei Thüringen, bevor sie schließlich zu dem wurde was sie noch bis heute ist: Die Stadt- und Kreisbibliothek. Nach den Wirren des zweiten Weltkriegs zog sie 1949 zudem vom Schloss Elisabethenburg dort hin, wo man sie noch heute findet. Nämlich in die Ernestinerstraße, auch wenn sie in den 80er Jahren zwischenzeitlich für Sanierungs- und Umbaumaßnahmen anderweitig Unterschlupf suchen musste. 1974 erhielt die Bibliothek den Namen der berühmten Schriftstellerin Anna Seghers und seit je war nicht nur der Bestand stets im Wandel, sondern gehörten natürlich ebenso Neuerungen wie die aktuelle Online-Ausleihe oder der Multi-Media-Bereich, zur Erweiterung des Inventars dazu.
Doch auch Außen hält das Haus in der Weihnachtszeit eine schöne Überraschung für alle Winterbegeisterten bereit. Da die Bibliothek an ihrer Front 24 Tür- und Fensteröffnungen zählt, verwandelt sich das Gebäude zur besinnlichen Adventszeit nämlich in einen bezaubernden Weihnachtskalender. Seit der Jahrtausendwende öffnet „Frau Holle“ also jeden Tag, vom 01. bis 24. Dezember eines Jahres, ein Fenster und wartet mit einer besonderen Erzählung oder einer kleinen Überraschung auf. Somit dürfte jeder etwas Besonderes an diesem Platz finden und gewiss glücklich werden.
Der Dritte im Bunde ist das Literaturmuseum Baumbachhaus.
Der fränkische Fachwerkbau, der sich auf das Jahr 1738 zurückführen lässt und seit 1924 als Museums genutzt wird, widmet sich den verschiedenen Schriftstellern vergangener Tage. Neben dem Wohnzimmer des Dichters Rudolf Baumbach und dessen Privatbibliothek, finden sich auch allerlei andere bibliophile Kostbarkeiten, wie Literatur aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Auch Gedenk der Literaten Jean Paul und des Märchenerzählers Ludwig Bechstein lässt sich viel Vergangenes im heutigen Museum entdecken. So sind ihre Ausstellungsräume beispielsweise mit zeitgenössischen Gegenständen ausgestattet.
Ferner erhielten Friedrich Schiller und seine Schwester Christophine Reinwald, die dem Meininger Hofbibliothekar heiratete, ebenfalls ein separates Zimmer. Liebevolle Details bestimmen hier das Arrangement, so dass ein jeder Bücherwurm einen spannenden Einblick in die Vergangenheit der Literatur und ihrer prägenden Persönlichkeiten erhält.
Insgesamt sind diese Buchheime natürlich keine Buchhandelsweltreise, aber auch eine Reise zur Buchhandlung des Vertrauens, der Bibliothek um die Ecke oder einen kleinem Museum ist und bleibt immer ein lohnendes Ziel!
[04. Mai 2017] Die Magie des Erzählens (Lesung Saša Stanišić)
„Ich war schon einmal hier“, begrüßte Saša Stanišićs seine Leser. Dies wusste er durch eine Navigations-App, die ihn zielsicher in die Theaterstadt gelotst hatte. Der Autor mit serbisch-bosnischen Wurzeln war Gast der dritten Veranstaltung der Meiningen Frühlingslese und las gestenreich mit viel Leidenschaft wie Qualität aus seinem neusten Werk „Fallensteller“.
Der Erzählband, der zwölf Kurzgeschichten enthält – bei denen man sowohl bekannten Protagonisten begegnet, als auch spannende drei gegliederte Fortsetzungserzählungen findet –, nimmt einen mit auf eine außergewöhnliche Reise. Ob nun zurück nach „Fürstenwalde“, an den Rhein oder nach Schweden, ein jeder wird sich oder ein verlorenen geglaubten Teil seiner selbst, in den vielschichtigen Charakteren wieder entdecken.
Mit seiner Lesetechnik begeisterte Saša Stanišić mehr als nur einmal das Publikum, dass manch humoristisch geschilderte Szene mit zahlreichen Lachsalven quittierte, was den Autoren teilweise anzustecken schien, weil er gelegentlich mit einem Grinsen in der Stimme nahtlos Sätze wie „Auf diese Passage freue ich mich schon seit fünf Seiten!“, oder „Das hier habe ich auch noch nicht öffentlich gelesen, das ist gerade neu für mich.“ einschob.
Bildgewaltige Sprache, die Spaß macht
Man könnte nun natürlich einige Worte über die vorgetragenen Auszüge der Ich-Erzählerin und ihrem Begleiter Mo verlieren, deren abenteuerliche Reise die beiden quer durch Europa führt, doch wird solch eine Analyse kaum der Lesung gerecht. Denn Stanišićs bildgewaltige und raffinierte Sprache bereitet einfach zu große Freude. Als Zuhörer konnte man jedes Buchdetail, jeden Gedankensprung lebhaft nachbilden. Gerade letztere, so überraschend und abstrus, ja, teilweise vielleicht wie unter Rauschmitteln anmutend diese auch wirkten, so lebensnah und unverfälscht-echt waren sie doch.
»Ich konzentriere mich so sehr darauf, alles, was Ole [Anm.d.V.: seinerseits Menschenrechtsaktivist] erzählt, zu begreifen, dass ich beginne, Dinge wahrzunehmen, die wahrscheinlich gar nicht real sind. Ein Käferchen öffnet eine kleine Tür an Oles Adamsapfellift, tritt heraus, macht die Tür wieder zu und kletter an Oles Hals hinaus in Oles Haar. […] Das Käferchen putzt sich in Oles Haar die Flügelchen, und Ole ist bei Anekdoten über persönliche Schicksale von Kosovaren angekommen.«
Einer meiner Lieblingsstellen, denn wer kennt sie nicht, diese Käferchen-Momente?!
Die Augenblicke, in denen man angestrengt versucht das Gehörte zu verarbeiten, aber die eigenen Gedanken unwillkürlich in die Ferne schweifen oder sich auf etwas anderes konzentrieren. Dennoch nimmt man das Gesagte wahr und zur richtigen Zeit kommt es einem schließlich wieder in Erinnerung, weil man es unterbewusst trotzdem verarbeitet hat. Genau wie es der Ich-Erzählerin letztendlich in der Kurzgeschichte mit Mo widerfährt.
Diese und andere Passagen zeigen, dass Saša Stanišić nicht nur den spielerischen Umgang mit dem Alltäglichem beherrscht, sondern auch bei scheinbar nichtigen Kurzgeschichten-Themen in die Tiefe geht und ernste Aspekte, die meistens einen aktuellen sozial-politischen Bezug haben, anspricht.
Als schließlich die Möglichkeit eröffnet wurde einige Fragen zu stellen, kam die Erkundigung nach der Arbeitsart des Autoren auf. Neben der Tatsache, dass er für komplexe Werke einen hohen Rechercheaufwand treibt und unbedingt an die Orte der Handlung reist, schilderte er seine zwei unterschiedlichen Verfahrensweisen. Manche Geschichten erforderten, in seinen Worten, dass der Weg vom Anfang bis zur Auflösung vor dem Schreiben geplant wird; dieser Weg sei anstrengend und er selbst erst zufrieden, wenn er das Ziel erreicht habe. Manch andere Geschichte, hier ist tatsächlich der Fallensteller ein prominentes Beispiel, erlaubt es – ja, verlangt es –, dass man sich auf dem Geschichtenweg treiben lässt und nicht weiß, wo dieser enden wird, da diese Erzählart mit einem fest definiertem Ende nicht funktionieren würde. Bei den Kurzgeschichten selbst bevorzuge er ebenso das ‘freiere’ Schreiben, das Reduzierte wie in „Die Fabrik“ wäre langwieriger und mühsamer, aber für den Leser natürlich nicht minder schön.
Auch Biografisches kam zur Sprache. So führte Stanišić aus, dass er schon früh einen Fuß ins Literaturmeer gesetzt habe. Im Alter von dreizehn Jahren kam ihm beispielsweise eine Geschichte über einen Jungen namens Saša in den Sinn, der mit nur begrenzt kontrollierbaren magischen Kräften die Welt rettete, in der er plötzlich gelandet sei. Gut möglich, dass dieser Inhalt durch das Lebensumfeld Stanišićs geprägt war, denn 1992 flüchtete er mit seiner Familie vor den Balkankriegen nach Deutschland. Bei einem Onkel in der Gegend von Heidelberg untergekommen, besuchte er bald darauf eine deutsche Schule, an der ein Deutschlehrer bei ihm ein Talent für das Schreiben entdeckte und förderte.
Wie man sich als Publikum unschwer bei der Lesung überzeugen konnte, hat Saša Stanišić die deutsche Sprache komplett assimiliert. Das geht soweit, dass er beim Arbeiten an seinen Geschichten diese auf Deutsch denkt und entwirft, da ein Arbeiten mit seiner ersten Muttersprache, Serbokroatisch, mit größerer Anstrengung verbunden sei, so seine Aussage im Gespräch.
Dennoch bleibt er seiner Herkunft verbunden und hatte die Hoffnung gehegt, dass seine Romane dazu beitragen könnten, die noch vor kurzer Zeit zerstrittenen Völker im Balkangebiet wieder etwas mehr zusammenzuführen, gerade weil es eine nahezu einheitliche, gemeinsame Sprache gäbe. Doch ist es schlussendlich dazu gekommen, dass die Übersetzungen in drei unterschiedlichen Varianten herausgebracht wurden; für jeden Regiolekt und für beide Schriftsysteme, dem Lateinischen und der Kyrillischen Schrift, eine. Wenngleich unter regelmäßiger sprachlicher Kontrolle des Autors. Obgleich dies etwas Aufwand erforderte: Mit einem Lachen dachte er an eine (serbische) Übersetzerin zurück, die Stanišić so oft angeschrieben und ihr Korrektur- und Änderungsvorschläge angedient hatte, dass diese sich irgendwann gar nicht gemeldet habe. Doch „das Werk sei gut geworden, ja“, kommentierte er die Übersetzung letzten Endes.
Als Literaturliebhaber sollte man unbedingt nach einer Gelegenheit Ausschau halten, Saša Stanišić am Lesepult zu erleben. Man wird nämlich einen unglaublich empathischen wie auch sympathischen Menschen begegnen, der den Vortrag lebt und sein Publikum mitnimmt – mitnimmt auf eine Reise durch faszinierende Buchwelten, die einen einfach begeistern und pures Lesevergnügen vermitteln!
[30. März 2017] Der Leipziger Literaturmarathon – Ein Messerückblick
Auch in diesem Jahr bot die Leipziger Buchmesse vom 23. bis 26. März wieder ein vielfältiges Programm. WIR in Europa, so das Motto, war niemals treffender, als in diesen Zeiten. Ebenso vermochte es das Gastgeberland Litauen, so die Worte von Oliver Zille, dem Direktor der LBM, mit rund 50 Veranstaltungen und 26 literarischen Neuerscheinungen „interessante Einblicke in Literatur, Kultur und Gesellschaft des modernen europäischen Staates“ zu geben.
Für mich war dieses Thema, ebenso wie das des fünfhundertjährigen Jubiläums der Reformation, allerdings eher ein Lieferant für das tolle Ambiente der Buchmesse, denn Hauptmotiv für den Besuch selbst. Ein Ambiente, was ich auch in diesem Frühjahr untrennbar mit dem Stöbern zwischen den Messeständen, dem Anblick der Cosplayer, die wie immer die parallel stattfindende Manga-Comic-Con besuchten und das Lauschen diverser Lesungen verband. Selbst der Besucherrekord vom vergangenen Mal wurde erneut eingestellt. – Hier also ein paar Eindrücke meiner privaten Stippvisite von Donners- bis Samstag der #LBM’17.
Von Wortakrobatik, Bildkünsten und anderen Schreibkniffen
Der erste Tag startete für mich im Forum Literatur + Hörbuch. Unter der Moderation von Oliver Wenzlaff konnten verschiedene Autoren in einem Wettbewerb mit den ersten Sätzen ihrer Romane gegeneinander antreten. Das Konzept des Wettstreits lässt sich gut mit der Beschreibung aus dem Messeprogramm zusammenfassen: „Überzeugen die ersten Sätze das Publikum, damit es weiterhören will?“ Genauso lief der Vorgang ab – der Moderator trug Fragmente jedes für den Wettbewerb eingereichten Werks vor und bat dann das Publikum um akklamatorische Abstimmung.
Hierbei nahm er unterhaltsame Anleihen an einem Völkchen, dass vor einigen Monaten die Herzen der Europäer verzauberte, denn es hieß zwar nicht „Isländer feuern ihre Fussballnationalmannschaft bei der UEFA Euro 2016 an“, dafür aber „HUUH – Autoren kommen in der Wortmeisterschaft weiter, wenn der Applaus laut genug ist“.
Natürlich war auch Oliver Wenzlaff nicht vor einem gewissen Bias gefeit, trotzdem wurde schnell die Spreu vom Weizen getrennt. Die ausgeschiedenen Teilnehmer bekamen eine Trostschokolade. Zuletzt durften die Autoren der verbliebenen vier Wettbewerbstexte auf der Bühne selber die erste Seite ihres Romans vorlesen. Dabei spielte das individuelle Lesegeschick eine nicht unerhebliche Rolle. Gerade bei meinen Favoriten „Die Worte ‘Du wirst an deinem 18. Geburtstag sterben’, versauten einem den Tag.“ führte die Lesung der Autorin zu einem knappen Ausscheiden in der Finalrunde. „Felicitas saß in der Falle.“ und „Es war einer dieser Tage, die man am liebsten aus dem Kalender streichen möchte.“ stellten aber ebenfalls gute Texteinstiege dar.
Am Ende waren die etwas mehr als sechzig Minuten an diesem Stand absolut unterhaltsam, wie lehrreich, nicht nur für angehenden Autoren und Verlagsmitarbeiter.
Gleich im Anschluss bot sich die Eröffnung einer Wanderausstellung von Fotografien des polnischen Fotografen Tomasz Gudzowaty, an. Der Künstler gewann, neben zahllosen anderen Preisen, neun Mal den World Press Photo Award.
In dieser Ausstellung bearbeitete er kein dokumentarisches Thema aus der Natur oder dem sozialen Leben, sondern untersuchte stattdessen einen gewissen künstlerischen Ausdruck mithilfe von Schwarzweißaufnahmen durch eine alte Polaroid-55-Kamera mit alters- und stilmäßig passendem Sofortbildfilm. Kratzer auf dem Bild, danebenliegende Belichtung, schwer erkennbare Motive – all dies bedeutet, dass „das Mangelhafte oder Unperfekte zum Wesen der Fotografie gehört, es ist der Preis für die Treue zu diesem Medium, das gewissermaßen die zufällige Interpretation eines Augenblicks ist“, so Gudzowatys eigene Worte. Eindrucksvolle Arbeiten mit ebensolchen Motiven, die einen meiner Meinung nach, demütig zurück ließen.
Nach einer kleinen Stärkung, ging es schließlich zu den unabhängigen Verlagen. Bereits eine Woche zuvor war ich zur Buchvorstellung der Anthologie „Warum ich lese – 40 Liebeserklärungen an die Literatur“ nach Berlin gereist, daher kam ich natürlich nicht umhin, auch den Stand des homunculus-Verlags aufzusuchen. Dieser kleine Verlag, getreu seinem Leitsatz „Literatur für alle Zeit!“ und vor kaum eineinhalb Jahren aus der Taufe gehoben, hat nicht nur ein individuelles Programm zu bieten, sondern war nun schon zum zweiten Mal auf der Leipziger Buchmesse vertreten. Innerhalb eines Spektrums von Neuveröffentlichungen des Kleinen Lords über Charles-Dickens-Weihnachtsgeschichte bis hin zu dem Bereitstellen einer Plattform für Schreibinteressierte, wie die 39 anderen Buchblogger neben mir, die an „Warum ich lese“ mitwirkten, findet sich zahlreiches Kulturgut für die unterschiedlichsten Geschmäcker. Ein sympathisches Independent-Haus, unter deren Dach sich künftig hoffentlich noch viele Autoren einfinden werden.
Auf dem Weg zu dem nächsten von mir vorgemerkten Programmpunkt, vorbei an einem öffentlichen Podium, stolperte ich sogar noch über die gern wahrgenommene Gelegenheit zu ein, zwei interessanten Gesprächen mit Jungautoren.
Denn auch die unabhängigen Schreiberlinge, die entweder Selfpublisher sind und Unterschlupf an anderen Messeständen fanden oder deren Verlag nicht mit einem Stand auf der Messe vertreten waren, hatten die Möglichkeit in Kontakt mit ihren Lesern zu treten und Neue zu gewinnen.
Mit schönen Unterhaltungen und reichlich guter Laune im Gepäck kam ich schließlich zur Lesung von „Drei Meter unter Null“ der Kriminalschriftstellerin Marina Heib. Nach einer längeren Schreibpause legte diese mit ihrem neustem Titel einen Roman vor, den ich unglaublich gerne gelesen habe und der zu seinem Vorteil auf eine klassische Ermittlerperspektive verzichtet.
Ausdifferenzierte Nebenfiguren bedingen zudem eine dichte, bildliche Atmosphäre, in welcher für den Leser und Autorin gleichermaßen der Spagat zwischen der Identifikationsfigur – sowohl der „Protagonistin“, als auch der personenidentenen Mörderin, die trotz ihrer Taten eine starke Empathie hervor ruft – interessant ist. Eine schriftstellerische Akrobatik, welche meinem Erachten nach, hervorragend geglückt ist, zumal die Handlungen aller Figuren emotional sehr authentisch sind. Zweifelsfrei ist diese Leistung auch dem persönlichen Hintergrund von Marina Heib geschuldet: nach einem Studium der Orientalistik und Philosophie, arbeitete sie als Journalistin. Eine Tätigkeit, die sie, genau wie die Motivation „keine Telenovelas, sondern etwas anderes, neues“ zu entwerfen, letztendlich zum Schreiben von Büchern brachte.
Und natürlich durfte eine ganz bestimmte Sache nicht fehlen, getreu dem Motto „The same procedure as every (half)year!“: Ein Besuch bei Droemer-Knaur einschließlich dem gewohnten Endlos-Schlangestehen für ein kurzes Intermezzo mit Sebastian Fitzek. Dieses Mal nicht in Form von Fragen zu seinem neusten Roman, denn „AchtNacht“ ist selbstredend für sich, sondern wieder in üblicher Autogramm-Manier. Es war humorvoll und sympathisch, wie eh und jeh.
Auf dem Weg nach Draußen durfte auch ein Abstecher auf die Manga-Comic-Con nicht fehlen. Wenngleich es schon kurz vor Toresschluss war, blieb doch noch genug Zeit, durch zahlreiche Merchandise-Produkte sowie Comic-Angebote zu stöbern und das japanisches Flair zu genießen. Heutige Fans können im Gegensatz zu mir, in meiner Teenagerzeit, definitiv aus den Vollen schöpfen und ihre wunderbare Leidenschaft mit viel mehr Details zum Ausdruck bringen.
Zeit zum Zuhören…
Mein zweiter Messetag war ein Tag voller Lesungen. Bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen konnte ich ein breites Spektrum, von trocken und vom Sujet distanziert, namentlich Martin Suters Gespräch über „Elefant“ bis hin zu interessanten Anekdoten, wie denen von Markus Heitz, erleben.
Außerdem schaute ich mir mal einen kleinen, aber feinen Teil zur Buchherstellung an. Denn auch dazu gab es einige Angebote, Stände, die von jungen Buchdruckern, wie Buchsetzern betreut wurden und die es insbesondere Kindern erlaubten, dieses Jahrhunderte alte Handwerk kennen zu lernen. Ein Handwerk, bei welchem man zum Beispiel für den Satz und Druck einer frühen Fassung der Bibel dreizehn Jahre benötigte. Doch auch Scherenschnitte gab es in zahlreichen Variationen zu bewundern.
Bei den Lesungen lud Kai Meyer zu dem ersten Kapitel seines neuesten Buches „Die Krone der Sterne“ ein und plauderte etwas aus dem Nähkästchen.
Hinsichtlich des neuen Romans, hatte er zunächst angenommen, dass das Beste sei, die spannungsgeladenen Handlungsszenen, wie Laserschlachten, zu schreiben, doch waren es im Gegenteil die Dialoge und Auftritte der aufeinander treffenden Charaktere, die ihn am meisten bewegten. Dies und die Tatsache, dass ihm die Geschichte besonders am Herzen läge, führten nicht zuletzt dazu, dass er den Band fast in einem Rutsch durchschrieb.
Auf der Messelesung blieb es logischerweise bei einem Kapitel, doch wird am Ende, so Meyers Plan, eine Trilogie aus dem Buch entstehen: der zweite Band sei gerade in der Entwicklungsphase und zusätzlich verriet der Schriftsteller seinen Zuhörern noch einen kleinen Sneak Peek. Am Anfang des kommenden Werkes wird ein Gespräch der zwei Lieblingscharaktere des Autors, die man als Leser leicht erkennen könne, stehen.
Es folgte dann auch gleich ein weiteres Gespräch, respektive eine Lesung, auf der Leseinsel Fantasy.
Markus Heitz redete über seinen neuesten Roman, „Des Teufels Gebetbuch“. Nicht nur, dass er so einiges direkt zum Buch erzählte, sondern es gab auch viel allgemein Interessantes zu erfahren. So gefalle es ihm nicht, männliche Heldenrollen zu schreiben, die „überstrahlen“, wohl wie ein digital überschärftes Bild oder schlimmer, wie ein Gary Stu, wirken. Nur in Ausnahmen und bei Bedarf, komme so ein Charakter in Frage, müsse dann aber „ins Böse“ kippen um authentisch wirken zu können. Auch habe er das volkshistorisch definierte Todesomen eines Pik-Asses beim Kartenlegen, genau so in der Geschichte verarbeitet. Ethymologisch könne sich die Verbindung des Pik-Asses oder hier besser des „Ace of Spades“ mit dem Tod, dank einer historischen Verwendung des Symbols im Rahmen des antiken, englischen Steuerwesens erklären lassen:
Jahrmarktstandinhaber bekamen einen solchen Stempel auf die Hand, wenn sie rechtmäßig ihre Steuer beglichen hatten, fehlte dieses Symbol oder war es gefälscht, so wurde der Sünder bestraft beziehungsweise hingerichtet. Weiter habe er sich von Robert Louis Stevensons „Der Selbstmörderclub“ inspirieren lassen, in dem die Kartenfarben Kreuz-Ass und Pik-Ass ebenfalls zu morbidem Ruhm kommen. Mit einer Anspielung auf Motörhead „für alle Fans von Metal- und Rockmusik“ und tiefere Einblicke in die Charakterzeichnungen respektive Figurenentwicklungen endete schließlich der spannende Vortrag.
Danach ließ ich mich in der Karawane eines Publikums nieder, dass von rosaroten Rüsseltieren hören wollte – Martin Suter wurde im ARD-Forum von Carsten Otte interviewt und las aus seinem neuen Werk „Elefant“ vor. Die Dürre des Vortrags durch den trocken und leicht arrogant auftretenden Autoren wurde durch zwei Humorspitzen durchbrochen.
Da die Geschichte eine Recherche in der Züricher Obdachlosenszene erforderte, begab sich Suter unter die, so in der Schweiz genannten, Randständigen und passte sich ihrem Auftreten an, in eigenen Worten dadurch, dass er „einfach die Krawatte weggelassen“ habe, um der Anweisung seines die Obdachlosenszene kennenden Begleiters, „komm mir da nicht in der Schale“ (‚in der Schale‘ heißt ‚im Anzug‘) zu genügen. Außerdem sorgte der Moderator selbst unmittelbar zuvor für einen unterhaltsamen Moment, als er vermutlich eine Regieanweisung übers Ohr halb aussprach: „Auf der anderen Seite haben wir eine Obdachlosenszene, die dieser Gentechnikwelt gegenübergestellt ist, also eine ganz andere Welt. Mich haben diese Schilderungen ungeheuer präzisiert.“
Doch so präzise wurde der Interessenshaken des Publikums ansonsten nur begrenzt getroffen und das lag nicht am spannenden Thema des Romans, der eine Handlung zwischen zwei Welten, der der Gentechnik und der des sozialen Prekariats, aufspannt. Insbesondere der titelgebende rosa Elefant beruhe auf einer Inspiration eines gewissen „Professor Jucker, ein Alzheimerforscher in Tübingen, der mir vor 10 Jahren anlässlich einer Alzheimerkonferenz so beiläufig gesagt hatte, ‚es wäre übrigens heute möglich, gentechnisch einen kleinen rosaroten Elefanten herzustellen.‘ Und seither geht mir das Tierchen nicht mehr aus dem Kopf.“, erörterte Suter.
Ferner dieses Forums legte ich einen kurzen Zwischenstopp, zwar nicht auf der Couch von Stephan Orth, dafür aber auf einem Sessel bei ihm, ein. Er signierte mir sein Werk „Couchsurfing in Russland“.
Auf dem Weg zur Leipziger Autorenarena, lief ich wiederum überraschend Sebastian Krumbiegel über den Weg. Mit dem Sänger der Prinzen gab es ebenfalls ein kurzes fotografisches Stelldichein, bevor in der Autorenarena noch einmal Sebastian Fitzek dem Publikum sowie Moderator, Rede und Antwort stand. Im Mittelpunkt des Dialoges befand sich sein neuestes Buchkind „AchtNacht“. Hier blieb, im Vergleich zu manch anderer Lesung, die Interaktion des Trios aus Publikum, Moderator und Gast stets anregend und unterhaltsam.
Dennoch kam das in der heutigen Zeit wichtige und oft allzu leicht in Vergessenheit zu geratene Thema, des unwiderruflichen digitalen Fußabdrucks, nicht zu kurz. Fitzek zog nämlich anhand eines Kriminalfalls im Jahr 2012 aus Emden, bei den ein siebzehnjähriger Schüler zu Unrecht beschuldigt wurde ein kleines Mädchen missbraucht, wie getötet zu haben und der kurz nach der angeblichen Tat von einem Mob, welcher Lynchjustiz forderte, genötigt wurde, eine Parallele zu seiner Schreibidee und erklärte, warum ein vermeintlich simpler Aufruf im Netz schnell zu etwas unkontrollierbar Gefährlichem heranwachsen kann. Ebenso wüssten Google und Co. mittlerweile anhand der eigenen Tipp-Syntax, wann und wo, gerade wer wieder online etwas verfassen oder einfach suchen würde. Was zwar technisch höchst modern, aber so sicher von den Nutzern nicht gewollt wäre. All diese ernsten Themen, verpackte er jedoch mit einer guten Portion Humor, so dass diese hoffentlich auch bei den Zuhörern nicht allzu schnell in Vergessenheit geraten.
Zum Abschluss traf ich in der Bloggerlounge noch zwei mir von der Berliner Buchpräsentation zu „Warum ich lese“ bereits bekannte Gesichter. Zum einen Henri von FilmTheaterLesesaal und Andrea mit der ich noch eine sehr lange, wie schöne Unterhaltung zu jedweden Gesprächsthemen führen durfte, die einer Wiederholung bedarf! =)
Überraschend entspannter Messe-Familien-Tag…
… oder wie lose Sardinen Lesespaß atmen
Am dritten Messetag, dem „Gefürchtetsten“, weil erfahrungsgemäß überfüllten Samstag, hieß es schließlich einmal ausgiebig durch die Hallen und an den Ständen vorbei zu Stöbern. Dieses Mal mit Kind und Mann im Gepäck ging es nicht nur zu vielen Kinderbuchverlagen und in die Höhle des Maulwurfes, der dieses Jahr sein 60. Jubiläum feiert, sondern kamen die Älteren im Verlauf des Nachmittags bei einem Autorengespräch mit Michael Tsokos.
Der Rechtsmediziner erzählte nicht nur von seiner beruflichen Tätigkeit – so landen jährlich in Berlin in etwa 2000 Leichen bei ihm und seinen Kollegen vom Rechtsmedizinischen Institut auf dem Seziertisch, darunter auch die Opfer des Terroristen Amris vom Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz – sondern verriet auch, dass sein aktueller Roman, den er zusammen mit Andreas Gößling verfasste, auf einem wahren Fall aus seiner Laufbahn beruht.
Der Co-Autorenwechsel von Sebastian Fitzek hin zu Gößling erfolgte seinen Worten nach, weil Fitzek, eher ein großes Talent und eine Spezialisierung auf fiktionale Psycho-Thriller besäße, bei der für die Trilogie Zerschunden – Zersetzt – Zerbrochen gewünschten und benutzten True-Crime-Hintergrund jedoch die Zusammenarbeit mit einem anderen Autoren besser passen würde. Natürlich verriet Michael Tsokos auch noch ein wenig über die Wahl seiner Buchcharaktere und inwiefern die Handlung aus dem letzten Buch, sich nun in „Zerbrochen“ wieder findet, womit auch ein absolut interessantes Interview endete.
Nach dem obligatorischen Signieren ging es zur Wahl des „Ungewöhnlichsten Buchtitels 2016“, initiiert von „Was liest du?“.
Besucher dieser Buchplattform waren bis zum 31.01.2017 aufgerufen, Werke mit ungewöhnlichen Titelkreationen zu nominieren. Aus den 1403 eingereichten Beiträgen, ergaben die 50 Meistgenannten Titel dann ein Kandidatenfeld, aus dem per Onlinevoting bis zum 15.02. die 10 Kandidaten gekührt wurden. Vom 16.02. bis 07.03.2017 lief eine weitere Online-Abstimmung, deren Ergebnisse jeweils zur Hälfte mit denen einer Fachjury des Portals kombiniert wurden. So entstand dann das auf der Messe präsentierte Ergebnis.
Von Platz zehn bis eins ging es rückwärts Richtung Treppchen, wobei immer gleich ein Exemplar des platzierten Werkes für die Anwesenden als Preis einer Quizfrage, mit moderiert von Torsten Woywod, ausgelobt wurde. Mein persönlicher Favorit „Das Ende der Welt ist auch nicht mehr das, was es mal war“ von Sebastian Niedlich erreichte allerdings leider nur den zweiten Rang, dicht hinter „Hinfallen ist wie Anlehnen, nur später“ von Sebastian 23 und vor „Mein Vater, das Kondom und andere nicht ganz dichte Sachen“ von der Norwegerin Gudrun Skretting.
Ganz besonders habe ich mich aber darüber gefreut, dass mein Göttergatte in besagtem Quiz forsch mal eben zwei Bücher gewann, neben „Das Buch vom Meer oder Wie zwei Freunde im Schlauchboot ausziehen, um im Nordmeer einen Eishai zu fangen, und dafür ein ganzes Jahr brauchen“ (Morten A. Strøksnes – Platz 6) auch den Gewinnertitel, weshalb ich nun wieder reichlich zu Schmökern habe.
Nach dieser unterhaltsamen Preisverleihung, übrigens der einzigen, der ich in diesem Jahr aus Prinzip beigewohnt habe, entdeckte ich den Stand eines Künstlers. Kein Buch, kein Buchdruck und auch keine sonstige Buchgestaltung – aber trotzdem genauso wunderbar.
Richard Wetzel aus Heilbronn hat sich nämlich auf die Gestaltung von Pappmodellen spezialisiert, die, nicht zusammengebaut, in eine Streichholzschachtel passen und welche zusammengesetzt ein Wimmelbild zu einer Stadt, einem Zoo, einem Jahrmarkt oder zahlreichen anderen Motiven ergeben. Wichtig sei ihm, so äußerte er sich im Gespräch, „dass man durch seine Werke Zeit miteinander verbringt, sich beim Zusammenbauen unterhält, einander näher kommt und den Augenblick gemeinsam auskostet“. Oder wie er es selber auf seiner Homepage schrieb: „Groß können viele, ich mache Kleines, nur Kleines. Aus Großem Kleines, sozusagen. Darin schließe ich große und kleine Geschichten ein, locke sie in meine Boxen, fange sie quasi darin ein, mache aus ihnen Eingedampftes, einem Konzentrat gleich.“
Seit sieben Jahren sei er auf der Leipziger Buchmesse präsent; seine Modelle entwickele er nach Möglichkeit immer weiter. Dazu könne er seit kurzem davon profitieren, dass er nicht mehr den physikalischen Grenzen der Stanzmechanik unterworfen sei, weil neue Modelle optisch genauer und feiner mittels Laser geschnitten werden können, was beim Zusammenbau zu stabileren und im fertigen Modell zu schöneren Kanten führe. Er plane auch schon seinen achten Auftritt auf der LBM 2018 – übrigens genau wie ich, denn auch wenn mich die Messe finanziell ärmer gemacht hat, so wurde ich dank der Lesungen, Büchern und wertvollen Erinnerungen doch gleichsam reicher.
In diesem Sinne: Nach der Messe ist vor der Messe, Sarah
Ungefilterte Messeeindrücke:
[19. März 2017] Von bunten Schnauzen und Leseratten – Ein Buchrelease in Berlin
Hip, historisch, hässlich-hübsch. So oder so ähnlich erleben die Mehrzahl der Touristen Berlin. Die Hauptstadt, die ich zwar nicht wie meine Westentasche, aber dennoch ziemlich gut kenne – die nach Freiheit, Kunst, aber oft auch Irrwitz klingt und sich in Allerwelts-Gewändern präsentiert, zeigte sich am 18. März in einem ganz besonderen Outfit.
Die Chocolaterie und Buchhandlung „Fräulein Schneefeld & Herr Hund“ veranstaltete nämlich zusammen mit dem homunculus-Verlag eine „Buch-Freilassungs-Feier“ für die Blogger-Anthologie „Warum ich lese“. Vierzig deutschsprachige Bücherblogs kamen in dem von Sandro Abbate initiierten Projekt zusammen, um von ihren ganz persönlichen Lesemotivationen zu erzählen.
Auch ich folgte der typisch, prenzelbergischen Einladung von lockeren Türklinken, Kartoffelsalat und Schokoladenbier und konnte mich schnell in einem kleinen, aber feinen, wie aus der Zeit gefallenen Raum mit einem liebevoll ausgewählten und Inhaber-Erlesenen Büchersortiment, als auch einem ebensolchen Spektrum an Schokoladenwerk, wiederfinden. In dessen Hinterstübchen man wiederum an einer einladenden Tafel Platz nehmen konnte.
Zur Begrüßung gab es – wie sollte es anders sein – Buchstabensuppe und für jeden ein Autorenexemplar von „Warum ich lese“. Ob aus dem Innenleben der Suppe bei dem ein oder anderem Konsumenten nun ein neuer Roman entstanden ist, lässt sich noch nicht sagen, aber neben interessanten Gesprächen und toller, musikalischer Live-Begleitung, gab es vor allem viele schöne Lesemomente.
Gleichzeitig durfte man tiefe Einblicke in die Lesebiografie der Beitragenden, von den achtzehn anwesend waren, gewinnen.
Von Bücherwürmern, die aus buchfern gelegten Eiern schlüpften, also in Nestern, in denen es nur geringste Literaturspuren gab, über Federschwinger, die ihre Textkost mit Texten verdienen und dieses als Beruf, wie Berufung sehen, bis hin zu den Herren und Damen an der Lesestoffquelle selbst: sie alle saßen einträchtig zusammen.
Was das „Warum ich lese“-Projekt betrifft, so plant der homunculus-Verlag künftig eine Kampagne “Wege zum Lesen” mit der Stiftung Lesen, bei der sicher noch viele interessante Veranstaltungen zu erwarten sind. Daher kann ich nur empfehlen gespannt abzuwarten und die Augen nach etwaigen Lesungen offen zu halten, sofern sie natürlich nicht hinter einem Buch versteckt sind. – Für mich klang der Abend auf jeden Fall sehr positiv aus, denn es war schön andere Bibliophilie zu treffen und sich untereinander auszutauschen. (Vielen Dank auch an Fenna von Lesemanie für die Wartezeit verkürzende Unterhaltung auf dem Rückweg!)
Ab dem 20. März kann man also ganz offiziell neben der eigenen, endlich 39 weitere Liebeserklärungen an die Literatur in den Händen halten. Und sie nie wieder los lassen – ein Ausdruck ewig währender Zuneigung, der hoffentlich viele verführen mag.
Update: Eine zwar vielleicht nicht unvoreingenommene, aber dafür wunderbar treffende Rezension zu „Warum ich lese“ findet man bei BücherKaterTee.
[11. März 2017] Zu Gast in der Stadtbibliothek: Sabine Ebert
Nicht nur Buchliebhaber, sondern auch Geschichtsinteressierte folgten der gestrigen Einladung der dritten Meininger Frühlingslese und versammelten sich im Hauptraum der Stadtbibliothek „Anna Seghers“ rund um den Tisch, an dem, im schickem und thematisch zu ihrem aktuellen Werk „Schwert und Krone“ passenden Kleid, die erfolgreiche Autorin historischer Romane Sabine Ebert Platz genommen hatte.
Nach einigen Grußworten von Bürgermeister Fabian Giesder, der das kulturelle Engagement von Kommune und Rhön-Rennsteig-Sparkasse für die Frühlingslese lobte und die Theaterstadt künftig auch als Literaturheimat auserkoren sieht, stieg Sabine Ebert mit einer packenden Vorstellung und einem Vortrag, anstelle einer klassischen Lesung, in den Abend ein.
Nahtlos mit Auszügen aus ihrem Buch geknüpft, erzählte sie so vom adligen Leben im deutschen Hochmittelalter, das – entgegen landläufiger Meinungen – eben nicht von Rittern in bunten Waffenröcken und Plattenrüstungen geprägt war. Dafür seien Kettenhemd und Kleidung aus Leinenbahnen die übliche Ausstattung von Kämpfern gewesen, die für König, Kaiser und Lehnsherr in den Kampf zogen und dabei ihr Eigentum, Haus, Land und Frau, zurück ließen.
Geschichtsunterricht in der Schule gilt oft als stupide Zahlen- und Datumsfresserei, doch im Vortrag der Autorin spürte man nichts davon. Scheinbar mühelos zog sie nicht nur das Publikum in ihren Bann, sondern berichtete auch präzise von der realen Politik vor 1000 Jahren in unseren Landen. En passant räumte sie dabei noch mit einem weiter verbreitetem Klischee auf: dem der starken mittelalterlichen Frau, die stets familiäre und dynastische Geschicke bestimmen müsse. Tatsächlich oblag der Dame des Hauses die Kunst der Haushaltsführung, zu der auch das spontane Versorgen einer dutzende Köpfe zählenden Gesellschaft an einem gräflichen oder fürstlichen Hof, gerne auch im Winter bei nahezu verbrauchten Vorräten, gehörte. Ansonsten hatten Frauen aber eine rechtlose Existenz unter Vorherrschaft von Vater, Ehemann oder Vormund zu führen.
Mit der Schilderung der durch Quellenarbeit in Chroniken und Biografien der historischen Romanfiguren nachweisbaren Intrigen, legte die von der Materie begeisterte Autorin, auch gleichzeitig den Grundstock für ein vielbändiges Gesamtwerk. Ihre Reise durch das zwölfte Jahrhundert könne künftig zehn Bände umfassen.
Wer nun selbst mit dem Gedanken spielt, schriftstellerisch tätig zu werden, erfreut sich bestimmt an den Informationen, welche Sabine Ebert in lockerer, gar familiärer Atmosphäre den Zuhörern zum Thema ihrer Arbeitsweise verriet. So waren frühere Werke aufgrund ihrer journalistischen Arbeit beispielsweise knapp fünf Jahre in der Federschmiede. Heute, als Vollzeitautorin, habe sie inklusive Recherche und dem wichtigen Rohbau für mindestens fünf weitere Romane aus der Serie, für „Schwert und Krone“ hingegen nur zwei Jahre benötigt. Zudem sollen die kommenden Bücher im Jahresrhythmus erscheinen.
Auch würden großflächige Papiere von Flipcharts ihre heimischen Wände bedecken, um die chronologischen Windungen präsent zu haben, denn immerhin sind unter allen auftretenden Charakteren des Romans, nur deren sechs fiktiv und alle weiteren mit Herkunft, Zeit und Ort historisch verbürgt.
Neben der Zusammenarbeit mit universitären Historikern, die ebenfalls für die Genauigkeit der Schilderungen und Begleitmaterialien des Buches, wie denen der Karten, stehen, schöpfe sie zudem das Wissen und die Kraft für ihre Bücher aus ihrer Betätigung in der Reenactment-Szene. In dieser werden vergangene Geschehen aus zahlreichen Zeitepochen, meist sind es Schlachten, wie bei einer Theateraufführung, historisch richtig nach gespielt. Die Begeisterung für dieses Themenfeld konnte man in ihren Lächeln und den Augen zu sehen, vor allem als Sabine Ebert von ihren Freunden aus der Reenactor-Gruppe Mark Meißen 1200 erzählte.
Auf Nachfrage vermochte sie auch noch einige Details aus ihrem „Bücherleben“ erzählen. Abgesehen von einer klar geäußerten Präferenz für die heimatnahe Leipziger Buchmesse, die im Gegensatz zur Frankfurter eine Leser- und keine Fachbesuchermesse sei, gab es Interessantes zur redaktionellen Bearbeitung ihrer eigenen Werke zu erfahren. Diese gingen nämlich durch eine Evolution der Umschlagsgestaltung. Zuerst konnten die Leser lediglich Bilder von „Muttis“ – Frauenbildnisse – auf dem Einband, wie dem der „Hebamme“, betrachten, was letztendlich dazu führte, dass andere Autoren und Verlage ebenfalls begannen, Gemäldeausschnitte zu verwenden. Dabei jedoch jegliche Rücksicht auf Stil und Epoche vermissen ließen. Ein nächster Schritt waren dediziert zum jeweiligen Buch erschaffene Gemälde, doch auch hier machte die Autorin bald einen erneut anachronistischen Stilmix aus. So schien dies ebenfalls keine befriedigende Lösung zu sein. Jetzt, mit der ikonografisch Gestaltung von „Schwert und Krone“, hat man dagegen eine schöne sowie gleichsam positive Alternative gefunden.
Wer als Literaturfan und aus bestehendem Interesse an historischen Romanen also die Chance hat, einer Lesung von Sabine Ebert beizuwohnen, sei nur ans Herz zu legen, diese auch zu nutzen. Ansonsten lohnt sich natürlich nicht nur ein Blick in das aktuelle Buch, sondern auch auf die Homepage oder dem Social-Media-Auftritt der Schriftstellerin!
[27. Januar 2017] Hospitierende Bücher
Bücher sind ein vielseitiges Gut: Sie transportieren Geschichten, Gefühle, Geschehnisse, sie dienen der Erinnerung und dem Leben.
Am vergangenen Montag ist mir in der Eingangshalle des Suhler Zentralklinikums in der Gestalt eines Bücherbasars, eine wundervolle Umsetzung dieses Dienstes am Leben begegnet. Ein Mitglied des Klinikbetriebsrats erklärte, dass „jeder Interessent so viele Bücher mitnehmen dürfe, wie er wolle, sie seien kostenlos“. Im Gegenzug bitte man um eine Spende in einer einem angemessen erscheinenden Höhe, sprich einen kleinen Obolus, für das Kinderhospiz in Tambach-Dietharz.
Mehrmals im Jahr, sowie in der ersten Dezemberwoche auf dem Suhler Weihnachtsmarkt, findet dieses schöne Angebot statt.
»Wenn Gott dich auf einen steinigen Pfad schickt, dann möge er dir feste Schuhe geben.«
(Irisches Sprichwort)
Der Tod ist für viele Menschen, gerade wenn es um die Jüngsten von ihnen geht, ein schwieriges Thema, weshalb Aufklärung und die Unterstützung auf dem letzten Weg der unheilbar Kranken sowie deren Familien enorm wichtig sind. Umso schöner ist es durch Bücher und der Liebe zu ihnen, einen kleinen Teil zur Lebensfreude von Kindern beitragen zu können.
Deshalb: Teilen, lesen, spenden – ausdrücklich erwünscht!
[21. Januar 2017] Rundherum und gerade heraus – Der 12. Meininger Sport- und Presseball
Während die Organisatoren der Olympischen Spiele 2020 in Tokio an diesem Wochenende, Son Goku als offiziellen Botschafter derselben ausriefen, durfte ich einer Einladung zum 12. Meininger Sport- und Presseball folgen.
So ging um kurz nach 19 Uhr in der Theaterstadt Meiningen, zumindest bildlich, der Vorhang auf und nach einer stimmungsvollen, musikalischen Eröffnung, begrüßte Moderator Siggi Weibrecht alle Anwesenden, rund tausend erwartete Gäste, bevor schon Matthias Fahrich und Nick Klessing, Europameister und Junioreneuropameister im Bodenturnen, das Publikum der Abendveranstaltung mit ein paar beeindruckenden Übungen am Reck in ihren Bann zogen. Im Anschluss einer kurzen Vorstellung der Organisatoren sowie Ehrengäste, folgte alsbald der erste Programmpunkt des Balls: Ole Bischof, Judo-Olympiasieger von 2008, trat auf das Podium und begleitete die Verkündung, der, durch die Leserschaft des Meininger Tageblatts, gekürten Sportler und Sportlerinnen des Jahres 2016.
Tabea Tischmann und die Rettungsschwimmer-Kreisauswahl der DRK-Wasserwacht gewannen den Titel als beste NachwuchssportlerInnen.
Nach dem Erhalt der Ehrungen, breitete sich auf der Bühne ein Traum aus Tausend-und-Einer-Nacht auf, denn die Künstlerformation Modern Style Dancers bot in arabischen Kostümen eine atemberaubende Tanz- und Gesangsdarbietung. Durch ihre zauberhafte kleine Geschichte hinterließ die Tanzgruppe nicht nur einen bleibenden Eindruck insbesondere bei den Pressevertretern, sondern entstand auch bei mir ein bis heute andauernder Ohrwurm.
Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 hingegen, gewann Thomas Röhler mit einem Rekord von 90,30 m die Goldmedaille im Speerwerfen, auf dem Ball präsentierte er nicht nur eine neuartige Abwandlung seiner Trainingsmethoden mittels Streichholz-Weitwurf, sondern verfolgte auch die vom örtlichen Sparkassenverbund geförderte Auszeichnung der, wiederum von der Jury des Sportstättenfördervereins erwählten, besten Sportler des Jahres. Die Kickboxerin und fünffache deutsche Meisterin Kristin Avemarg und Schwimmer Candy-Jack Hoffmann nannten diese ihr eigen.
Dann erloschen abermals die Scheinwerfer auf der Bühne, nur um kurz darauf wieder in vereinzelten Lichtern aufzugehen. Fabian Rieger führte nämlich seine faszinierende LED-Show ‘Lumos’ auf. Zwischenzeitlich war man, ob der Lichter, gar versucht zu glauben, dass der geschickte Artist gleich den Ring der Macht aus dem Berg von Mordor hervor ziehen würde, bevor er sich jedoch dafür entschied zwei ‘Lichtschwerter’ zu zücken. Dies diente natürlich nicht der Zerstörung von Orks oder einem Kampf mit Darth Vader, nein, es waren Teile seiner Jonglage-Werkzeuge, welche er gekonnt durch die Lüfte fliegen ließ und mit denen er für das Publikum eine eindrucksvolle Lichtillusion schuf.
In alten Zeiten wäre Jonglage Teil des Repertoires eines Hofnarren gewesen, ein kleines Relikt dessen mag insofern erhalten geblieben sein, als dass die sich anschließende Rubrik „König – oder besser: Königin – Fußball“ lautete. Kathrin Hendrich und Mandy Islacker vom 1. FFC Frankfurt, sowie der Frauen-Olympia-Mannschaft stellten sich den Fragen der elfjährigen Nachwuchsspielerin Melissa Colaku vom ESV Lok Meiningen, die für sich und die Gäste der Veranstaltung in Erfahrung zu bringen suchte, wie man denn Nationalspielerin werden könne.
Im weiteren Verlauf der Ereignisse kam es erneut zu Ehrungen, im Näheren der der beliebtesten Mannschaft des Jahres, hier ergatterte der TSV Meiningen den entsprechenden Titel und einem Thema, das an diesem Abend nicht unberührt bleiben konnte.
»Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen.«
(Machiavelli)
Im Mittelpunkt der folgend gehalten Rede stand das Resultat, der in den Streitigkeiten zwischen Stadt, respektive Bürgermeister und dem Meininger Sportstättenförderverein, angewandten Mittel. Mithin also reine Lokalpolitik, die nicht uninteressant erschien und an deren Ende der Dank an die Vereinsvorstände, als auch ihr Lebenswerk blieb.
Doch damit das Publikum, ferner des Disputs, nicht in Missmut geriet, wurde sodann „Klatsch-Material“ (im Wortsinn) verteilt, mit dem die später auf der Bühne agierenden Musiker, von denen der Gitarrist wirklich überzeugend war, unterstützt werden konnten beziehungsweise das als Untermalung des ‘Warm-Up’ für die Überbrückung bis zum nächsten Auftritt dienen sollte.
So gaben die Athleten des örtlichen Sportvereins nun vor der Bühne ihre eigenen Leistungen zum Besten, wobei die Salti und mehrfachen Flickflacks der männlichen Athleten weitaus mehr Begeisterung hervor riefen, wie die in demselben Maß anspruchsvolle rhythmische Sportgymnastik und Turnübungen der Sportlerinnen. Was zwar schade, aber trotzdem eine in sich stimmige, wie gelungene Darbietung war.
Eine Gewinnziehung, drei Glückliche sprich eine Tombola darauf, endete das offizielle Programm bereits mit der Verabschiedung durch alle Beteiligten, Ehrengästen und Preisträger.
Im Anschluss lud entweder eine Bar mit Longdrinks, die Live-Band „Mr. Jam“ mit weiterer Musik, also Tanz, oder die Sportler-Lounge mit digitalem Speerwurf (Wii U sei dank), Unterhaltung, sowie einer Autogramm-Möglichkeit mit beispielsweise Thomas Röhler oder auch ein Treffen mit Bob-Ikone Dietmar Schauerhammer, ein.
Ich habe letzten Endes das Angebot der Lounge ergriffen und nach schöner Kurzweil, klang schließlich auch für mich ein überraschend gelungener Abend aus.
An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an das MTB für die herzliche Einladung!
[31. Dezember 2016] Nach Schaltjahr und Schaltsekunde – Ein Blick zurück
2016 lagen Erfolg und Niederlage, Glück und Tragödien, aber auch Träume und Misserfolg nah bei einander, so nah wie selten.
Weltpolitisch ließen einen natürlich der Brexit und die 45. Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten sprachlos zurück, auch die Liste der explosiven Meinungsäußerungen, vulgo terroristischer Anschläge, ist bedrückend lang. Umso wichtiger ist es zukünftig sich bei jeder negativen Nachricht, egal ob meinungs- oder gesinnungsterroristischer Natur, immer wieder auf das Menschsein zu besinnen. Denn »Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt« und die Werte der Demokratie, Meinungsfreiheit, sowie Toleranz dürfen niemals in Vergessenheit geraten. Anderenfalls sehe ich, ganz nach Plutarch, schwarz für die sich wiederholende Geschichte der Menschheit.
Privat hingegen hätte das mein Jahr werden können, wäre mir nicht meine Gesundheit wieder schwer in den Rücken gefallen. Aber zumindest bin ich nicht in den „Club of Twentyseven“ eingetreten und es war ein Harry Potter- Pokemon-Lieblingsbücher-Neuerscheinung-Kindheits-Erinnerungsjahr, in welchen ich durch die kleinen Momente glücklicher denn je sein durfte! Ja, entgegen dem globalen Geschehen würde ich sogar behaupten, dass es für mich persönlich ein gutes Jahr war, viel besser als die Vorangegangen.
Zum Lesen kam ich in den letzten zwölf Monaten auch deutlich häufiger, als ursprünglich erwartet, was sich in Zahlen (Goodreads sei Dank) präziser ausdrücken lässt – 27 Bücher und 7853 geschmökerte Seiten, von denen sowohl Klassiker, als auch Neuerscheinungen beinahe aller Genres vertreten waren. Meine Lieblingswerke des Jahres stammten dabei jedoch wieder aus dem Kriminalromanbereich oder waren japanische Liebhaberstücke. Ansonsten verlebte ich meinen tollsten Büchermoment auf der Frankfurter Buchmesse, schließlich wird das spontane Meet and Greet mit Cody McFadyen sicher lange unvergesslich für mich bleiben!
Was Vorsätze für die nahe Zukunft betrifft, so bin ich wenig ambitioniert selbige überhaupt aufzustellen, da ich das Ganze für Unsinn erachte. Ein Tag im Jahr ändert nur selten das gesamte Leben, das muss man schon selbst tun und zwar genau dann, wenn der richtige Augenblick gekommen ist oder man selbst die Kraft oder Motivation dafür gefunden hat. Und dieser Zeitpunkt ist nun einmal selten am 31. Dezember. Dafür mache ich weiter wie bisher: Ich genieße das Leben, schätze jeden Moment darin und werde mich auch weiterhin über die kleinen Dinge freuen.
Wünsche darf man natürlich dennoch äußern und sollten niemals außer Acht gelassen werden. So hoffe ich einfach, dass mein Körper mir mal wieder längere (Fern)Reisen erlaubt (Eine würde schon reichen – Zum Beispiel nach Irland, wenn aus New York und Tokio schon aus finanziellen Gründen niemals etwas werden wird *lach*), weil das Fernweh so ausgeprägt ist, dass es selbst physische Schmerzen zu übertönen vermag. Außerdem möchte ich endlich zurück in meine Heimat ziehen. Wo die liegt? Selbstverständlich im Norden, Ahoi.
Von allem Übrigen lasse ich mich überraschen, anstatt meine Zeit mit unnötigen Ballast zu verschenken.
In diesem Sinne genießt den Jahreswechsel und auf ein frohes, neues 2017!
[22. Oktober 2016] Ein Tresor der Literatur – Die Frankfurter Buchmesse
Es gibt Tage, da möchte man am liebsten im Bett bleiben, sei es aufgrund von Erschöpfung, Krankheit oder weil der Morgen schon verkehrt anfängt, dann gibt es Tage, an denen die Zeit einfach nur dahintröpfelt, manchmal von einem Lichtstrahl durchbrochen, aber es gibt auch jene, ganz seltene, die einfach perfekt und unvergesslich sind. So schön, dass man sein Glück gar nicht fassen kann – solch einen Tag durfte ich erleben. Warum und weshalb dieser Tag so toll war? Das verrate ich später, doch erst einmal von vorne:
Nachdem bekanntermaßen Bob Dylan den diesjährigen Literaturnobelpreis gewann und die Niederlande das Gastgeberland der 68. Frankfurter Buchmesse ist, die vom 18. bis 23. Oktober wieder ihre Tore öffnete, fand auch ich mich zusammen mit meiner kleinen Familie in der Börsenmetropole – die definitiv auch ein Mekka für Buchliebhaber darstellt – ein.
In den vergangenen Jahren musste ich schon oft feststellen, dass von einem oder auch mehreren (Buch)Messebesuchstagen, egal ob es sich nun um die Leipziger oder die Frankfurter Veranstaltung handelte, gut und gerne dreieinhalb Stunden vergehen können, wenn man sich erst vor Ort ein Programm beziehungsweise einen expliziten Ablauf überlegt. Wer im Groben erscheint sprich geladener Gast ist, weiß man ja prinzipiell im Vorfeld. Daher hatte ich dieses Mal mit mehr oder weniger Erfolg versucht, online eine Übersicht der interessanten Stände, unbedingt zu besuchenden Verlage, Lesungen und natürlich deren Autoren zu gewinnen.
Auch wenn dies sich schwieriger, als vermutet gestaltete, weil entgegen den sonst üblichen Prozedere alles Wissenswerte nicht etwa mittels Internetpräsenz der einzelnen Veranstalter oder als gedrucktes Programmheft zu finden war, sondern fast nur als App für Smartphones zur Verüfgung stand und andere Kanäle doch sehr stiefmütterlich behandelt wurden.
Nun denn, mit den trotzdem umfangreichen Notizen und einem gut sortierten Schlacht,- bzw. Lageplan im Gepäck, machten ich mich also mit meinen Liebsten auf in die literarisch gefüllten Hallen, immer den breiten Strom der Gäste folgend, welcher sich an den „Wir-machen-den-Weg-frei“ Schlangen-Einweisern (beiderlei Geschlechts – ich bleibe hier klassisch, hochdeutsch beim Masculinum genericum) vorbei schob. Man würde es, geprägt durch manch Erinnerung an die LBM oder überfüllte Züge von und nach Berlin oder Hannover, vielleicht nicht unbedingt erwarten, aber die Atmosphäre wirkte in ihrer Entspanntheit gemütlich und war irgendwie mit Vorfreude erfüllt.
Zwei Hallen, 3.0 und 3.1, sollten nun für die nächsten Stunden unser Hauptaufenthaltsort werden, ob man nun vorbei an den vielfältigen Ständen glitt oder sich zur Mittagszeit in eine um viele Ecken umrundende und ungefähr 60 Meter lange Warteschlange vor dem Signiertisch von Cecelia Ahern einreihte.
An dieser Stelle ein Tipp für alle Eltern: wer über einen süß aussehenden kleinen Sohn im Vorschulalter verfügt, der einen Messebesuch mitmachen kann und vor allem mag, der sollte ihn unbedingt mitnehmen! Ohne diesen Kinderbonus wird man nämlich vermutlich nicht ungefragt von den Verlagsmitarbeiterinnen an der Schlange zur Buchsignierung vorbeigeschleust und landet auch nicht – noch vollkommen perplex und überrascht – plötzlich vor der Autorin. Da ich jedoch genau dies erleben durfte (an dieser Stelle ganz lieben Dank an die Damen von Fischer!), war ich einfach zu überrascht und rücksichtsvoll, als dass man sich unter Aufhalten der anderen Wartenden noch mit der Schriftstellerin selbst hätte unterhalten können, obgleich sie mit Christian ein paar kurze Worte, ein liebes Lächeln und ein herzliches „Bye, Bye“ wechselte, während ich zwei Romane signieren ließ. So hatten wir bereits das erste Kulturmahl genossen.
Vom Fischer Verlag ging es dann wiederum schnurstracks zu Droemer-Knaur, wo zumindest mein Mann mit dem vorletzten Signier-Exemplar des neuesten Bandes der Kluftinger-Serie des Autoren-Duos Volker Klüpfel und Michael Kobr ein Autogramm inklusive Schnappschuss und knappen Gespräch, inwiefern sich der Kommissar selbst im „Grimmbart“-Band von einer ausgeprägten Misogynie zu künftig wieder einem angenehmeren Wesen wandeln wird, ergatterte. Bevor gleichen Ortes auch schon das Gespräch mit Iny Klocke und Elmar Wohlrath, besser bekannt unter ihrem gemeinsamen Pseudonym Iny Lorentz, begann.
Neben der Art und Weise wie ein Buch entsteht und sich der Schreibprozess entwickelt, wurden auch Erklärungen zu einer (Bücher-)Trophäen-Sammlung der Beiden, der Covergestaltung ihrer Romane und warum eine fünfjährige Schreibpause bestand, gegeben.
So reist das Ehepaar nach der Idee für eine Geschichte erst einmal in die besagte Region oder das (neu) zu entdeckende Land ihrer künftigen Handlungsorte und betreibt hautnah vor Ort Recherche, ehe die Zwei – wieder zu Hause angekommen – dann mit dem eigentlichen Schreiben beginnen, was in erster Linie von Elmar umgesetzt wird, der alles auf einmal hinunter schreibt, bevor das eifrige Textkorrigieren und Anmerken, Umbauen, etc. von ihrer Seite aus los geht. Kaum entzifferbare „Handschriften-Hieroglyphen“ oder Gedankenkollisionen können bei diesem Schreibvorgang schon einmal zum vorübergehendem Problem werden, aber glücklicherweise findet sich eigentlich immer eine einvernehmliche Lösung.
Eine Lösungsfindung, die ganz im Gegenteil zu dem Dilemma der überfüllten Büchervitrine mit den eigenen Bestsellern, die bereits aus allen Nähten platzt und wofür ein Anbau wünschenswert wäre, steht. Was die Titelbildgestaltung betrifft, so haben sich vielleicht einige Leser schon einmal gefragt, weshalb die auf den Romanen abgebildeten Damen und Herren oft kopflos erscheinen, was sich jedoch ganz einfach damit begründen lässt, dass die Protagonisten auf antiken Gemälden oder anderen historischen Kunstwerken schlichtweg eher grimmig, teilnahmslos oder anderweitig abweisend gucken, wodurch wiederum nicht unbedingt Sympathie bei der Leserschaft geweckt wird, weshalb man auf diesen Teil der Gesellschaft, zumindest auf Titelbildern fiktiv, geschichtlicher Bücher, gerne verzichtet und auf die persönliche Phantasie der Leser setzt.
Ja und dann gab es natürlich noch das schwierige Thema der fünfjährigen Schaffenspause von Iny Lorentz, welche letztendlich auf einem schlimmen, altbekanntem und trotzdem neuaufgelebtem Phänomen der unzivilisierten Bevölkerung zurück zuführen ist: Schmähkritik. Nicht etwa sachlich fundierte Kritikäußerungen zu den Romanen, sondern persönliche, auf unterstem Niveau und ohne Tabu stattgefundene Angriffe gegen die Autoren beziehungsweise vor allem gegen Iny Klocke selbst. Shitstorm und Cybermobbing wären die wohl heute passenderen Begriffe für solch menschenunwürdige Verhaltensausbrüche einiger, vermutlich in der Erziehung oder Bildung fehlgeleiteter, Individuen. Aber die Welt steht ja schon seit längerem Kopf.
Auf jeden Fall erklärt dies natürlich den Rückzug der Beiden, nach einer kurzen Unterhaltung mit ihnen (ihre letzte Romanreise ging im Übrigen nach Island), für mich wirklich liebenswürdigen Menschen und zeigt einmal mehr, dass man Hass, böswilligem Spott und anderer psychischer Gewalt in der Gesellschaft keine Grundlage geben sollte.
Nach einer kurzen Verschnaufpause und mit Proviant, ging es letztlich zurück in das Kabinett der Bücher.
Im Kontrast zur (kilo)meterlangen Schlange bei Cecelia Ahern kamen die Wartenden bei Andreas Eschbach erstaunlich schnell voran. Mein Mann stammelte sich etwas in einen Dialog herein, konnte aber immerhin trotz Aufregung seine Frage platzieren, wie man die durch unterschiedliche Handlungsgeschwindigkeiten des Denkens und Tippens bedingten Schreibschwierigkeiten beim Verfassen von Literaturgut überwinden könne. Notizen und Audiomemos, also aufgenommene Diktate, können Eschbach zufolge durchaus helfen.
Im Anschluss konnten wir endlich einmal etwas durch die restliche Halle stöbern, immer mit einem Blick für Christian im Gedränge an den Ständen und einem zweiten auf die Uhr, weil ein höchst wichtiger Termin bevorstand. Es mussten zwar keine Augen gesammelt oder gejagt, des Nachts gewandelt oder für einen Passagier 23 gebucht werden, aber dafür auf Sebastian Fitzek gewartet werden. Denn es war mal wieder soweit: Ein Einfinden mit dem deutschen Meister der Spannung stand bevor.
Während dem unermüdlichen Platzhalten durch meinen geduldigen Mann, der zwischenzeitlich von den stets zuvorkommenden Mitarbeitern von Droemer-Knaur, aufgrund der langen Wartezeiten, wie die anderen Schlangestehenden ebenfalls, Kekse und Wasser angeboten bekam, nutze ich das Sitzangebot der absolut gemütlichen Lesesessel von Murmann Publisher.
Dort kam ich sogar mit einem anwesenden Standverantwortlichen ins Gespräch, der allerdings über seine gegenwärtige Situation nicht wirklich zufrieden war. Zu jeder Autogrammstunde eines der bekannteren Droemer-Autoren wand sich nämlich eine Warteschlange um seinen benachbart gelegenen Stand, so dass etwaige Interessenten gar nicht mehr durch die menschliche Mauer dringen konnten und ihm somit teilweise rund ein Drittel des Messetages den Auftritt stark beeinträchtigten.
Auch wenn es ad-hoc dafür kaum Verbesserungsvorschläge gibt, da das Problem nur langfristig von einer besseren Organisation durch die Messeverantwortlichen gelöst werden kann, bestach der Verlagsvertreter auf jeden Fall durch eine freundliche Höflichkeit und natürlich die ultra-bequemen Sitzmöbel. – Ich kann beispielsweise nur Positives von jedem der einzelnen Verlagsleute berichten. Gerade Droemer-Knaur-Mitarbeiter durften sich nämlich von manch einem Kunden, der penetrant auf seinen Cent als Rückgeld bei gekauften Signierexemplaren bestand, anstatt sich über die schöne Büchertasche zu freuen (die in der Produktion gewiss teurer, als das Wechselgeld war), schon genug anhören und sich ärgern lassen.
Genau eine solche Standanwesende, die den Verkauf betreute und mir von den Kunden berichtete, fraß im Übrigen einen genauso großen Narren an Sohnemann und versorgte ihn reichlich mit Saft und Gummibärchen, wodurch die Wartezeit ebenfalls fluchs verstrich.
Nun stand ich also endlich vor einem verschmitzt lächelnden, Bücher mordenden, respektive belebenden, Autoren. Ich stand also da, …
… ja und vergaß einfach, mir komplett unerklärlich, die zuvor akribisch durchdachte und eindeutig formulierte Frage zum neuen Werk (Das Paket). So wollte ich eigentlich in Erfahrung bringen, ob die im März 2015 auf der LBM von ihm zum Besten gegebene Schreibanekdote über ein Herrn Koslowski der ein Paket für seinen Nachbarn annimmt und dessen Welt danach im Chaos versinkt, nun ein raffiniertes Marketingkonzept war oder die Idee für die Geschichte tatsächlich erst vor Ort, während der Unterhaltung mit einem Fan (die ich damals verfolgt hatte) entstand.
Ein gemeinsames Foto bekam ich zwar noch hin, aber als Christian mit Herrn Fitzek ein Gespräch über die stillen Örtchen der Messe begann, war selbst mein letzter Gedanken-Fragen-Fetzen verschwunden. Zum Glück stand mein Souffleur, im Form meines Gatten, genau gegenüber, erinnerte mich an die Frage und gab mir wenigstens ein Teil der Gedankenblase zurück. Die Antwort allerdings war, einem Thrillerautoren angemessen, fast schon wieder mehr verheimlichend als verratend, da er, von der Thematik überrascht, nur gestand zu dem Zeitpunkt schon beim Schreibprozess gewesen zu sein.
Auf jeden Fall war so wieder ein Programmpunkt erfolgreich wahrgenommen, wobei mir im selben Augenblick klar wurde, dass ich durch das vorige Stöbern in der unteren Messehalle leider Markus Heintz mit der Lesung aus Wedora verpasst hatte. Im Prinzip hätte wir auch den gesamten Tag am Droemer-Knaur-Stand verbringen können, so schön war es dort und so tolle Autoren waren zugegen.
Aber es ging natürlich weiter. Zum Beispiel mit einem kleinem Drachen, namens Kokosnuss für Sohnemann oder auch anderen tierischen Begegnungen.
Bevor schließlich mein ganz persönlicher, vollkommen unerwarteter Höhepunkt des Tages (und vermutlich fremdsprachlich betrachtet der schwärzeste Moment meines Lebens) immer näher rückte. Nachdem ich nämlich, zumindest was Cody McFadyen betraf, schon zwei Mal von den Bastei-Lübbe-Mitarbeitern freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen wurde, dass der Smoky-Barrett-Schöpfer Termine habe oder nur abends in der örtlichen Hugendubel-Filiale mit Autogrammen pässlich sei, versuchte mein Göttergatte erneut sein Glück bei einer älteren Verlagsbetreuerin. Während Sohnemann und ich drei, vier Stände weiter umherstöberten und ich eher wenig bis keine Hoffnung hegte, passierte ein kleines Wunder. Auf einmal erschien er nämlich und sagte nur: „Pack dein Englisch aus, Cody McFadyen wartet auf uns.“
Und schon befanden wir uns im Gespräch mit diesem sehr sympathischen und unglaublich offenen, Amerikaner, der von seiner Ehefrau begleitet wurde. Zum Signieren hatte ich den „Todeskünstler“ mitgebracht, was sich nicht nur als mein, sondern auch als das Lieblingswerk McFadyens herausstellte. Weiter erzählte er auf meine Frage hin, dass die Figuren seiner Romane, insbesondere Smoky Barrett, keine realen Vorbilder besitzen und demzufolge reine Phantasiekreationen sind.
Was mich ansonsten gefreut hat, ist der erklärte Wille, regelmäßig Deutschland zu besuchen, da McFadyen trotz fünfjähriger, unfreiwilliger Schaffenspause (aufgrund höchst privater Umstände, die ich aus Respekt an dieser Stelle nicht weiter erläutern möchte) erstaunt war, dass er noch eine so breite Fanbasis hierzulande hat. Hiermit war dann auch schnell eine Überleitung zu eher persönlichem Smalltalk, beispielsweise zum Thema Familie und Reisen, geschaffen. Ich hatte nun auch wieder meine Stimme, sowie besseres Vokabular gefunden und schwebte im Glück. Denn ein unerwartetes Meet und Greet mit einem seiner Lieblingsautoren, das zudem gut eine halbe Stunde andauerte, ist wie ein Sechser im Lotto, nein besser. Auch wenn McFadyen selbst meinte, dass Aufregung fehl am Platze sei, weil wir doch alle nur normale Menschen seien. Recht, hat er.
Später drehten wir noch eine Runde über das Gelände, schnupperten kurz in die anderen Bereiche hinein, wo zum Beispiel ein Video-System aufgebaut war, das aus einer die vorbeilaufenden Besucher filmende Webcam und einem Computerbildschirm bestand, auf dem im Stil der „Augmented Reality“ mehr oder weniger lustige Sprüche in Sprechblasen neben den Mündern der Betrachter eingeblendet wurden. Nach diesem „Foto-Spruch-Automaten“ fanden wir drei große, für Kunst freie, Flächen, auf der sich schon zahlreiche Besucher mithilfe von Eddingstiften in unterschiedlichen Farben künstlerisch verewigt hatten. Natürlich musste wir ebenfalls den Stift schwingen, wobei ich mich in einigen Fällen auch einfach den vorigen „Künstlern“ anschließen hätte können. – Always! ist ein Beispiel dafür.
Schlussendlich landeten wir als Krönung der Messe doch wieder bei den Wurzeln des eigenen Lesevergnügens. Mit dem Krimi-Speed-Dating mit Nele Neuhaus, Sebastian Fitzek, Andreas Eschbach und Miroslav Nemec auf dem Blauen Sofa und ließen damit (als auch mit einem leckeren Fisch-Dinner) also einen wundervollen Tag auf der #FBM16 ausklingen.
Von den partiell ausgearteten Blogger-Diskussionen habe ich, wenn überhaupt, nur am Rande etwas mitbekommen, da ich mich durchgehend in meiner eigenen kleinen Glücksblase, gebildet aus Signier,- und Lesungsmomenten vereint mit dem wunderbaren Messeflair befand, oder in Gesprächen mit Verlagsmitarbeitern vertieft war. Aber das ist in Ordnung, denn letzten Endes benötige ich für mich und hier, im Bibliothekarium, kein sich selbst bestätigendes Netzwerk mit immer wieder den gleichen Themen aus der Schriftstellerei für „Young Adults“ oder „New Adults“. Ein unabhängiges schwimmen, auch gegen einen Strom, ist bleibt für mich einfach das Passende.
Die meisten Buchmessebesucher haben zudem eher eine Präferenz für Leipzig, was eine Ansicht ist, die ich nicht nachvollziehen kann und genau gegensätzlich empfinde. Die von mir miterlebten Leipziger Messen waren durch die Besucher chaotisch, es wurde gerempelt, gedrängt und man hatte wenig Platz zum Gucken. Ja, selbst an den Fachbesuchertagen! Böse möchte ich sagen, dass es wohl eine Reminiszenz an die „Frühjahrsmessen“ zu Zeiten von vor über 25 Jahren sein könnte, in heftiger Paarung mit einem verheißungsvollen Blick in westliche Freiheit. Die Frankfurter Buchmesse hingegen, der immer nachgesagt wird, unübersichtlich zu sein, bietet sich völlig anders dar. Der Eindruck der Unübersichtlichkeit mag daher rühren, dass es nicht die weiten, hellen Glaskästen gibt, sondern Hallen mit zwei und drei Ebenen unter einem Dach. Trotzdem ist die FBM in meinen Augen effektiver strukturiert, denn wo es unter dem Leipziger Glasdach keinerlei „Verkehrsregelung“ und ein anarchistisches Gedränge gibt, sind in Frankfurt teilweise „Einbahnstraßen“ vorgesehen, die die Besucherströme gefühlt besser leiten.
Außerdem scheinen die Gäste spürbar zivilisierter, höflicher und entspannter zu sein, aber vielleicht mag das auch an der herbstlichen Jahreszeit liegen. Wer weiß.
Ich freue mich in jedem Fall, sofern es die Gesundheit zu lässt, auf einem erneuten Besuch im nächsten Jahr!
Ungefilterte Messeeindrücke:
Die Autogrammausbeute:
[20. März 2016] Jüngste Zeitungseule
Für alle Harry Potter-Fans die den Portschlüssel nach Leipzig verpasst und somit die Informationen nicht aus erster Hand erhalten haben sollten, gibt es trotzdem tolle Neuigkeiten, welche ich an dieser Stelle natürlich ebenfalls teilen muss. So vermeldete Carlsen, dass Jim Kay auch den zweiten Band „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ aus der Bestseller-Reihe illusteren wird.
In diesem Interview erläutert der Künstler seine Motivationen und erklärt, warum er bei der Fortsetzung des Projektes gar etwas in Zeitverzug geraten war.
Zusätzlich gab Joanne Rowling selbst bereits im Februar auf Pottermore bekannt, dass das für den Sommer diesen Jahres zur Aufführung in London geplante Theaterstück um die Abenteuer von Harrys Sohn, „Harry Potter and the cursed child“, ab dem 31. Juli auch als Buch erhältlich sein wird.
Emma Watson eröffnete indes auf Goodreads ihren feministischen Bücherclub „Our Shared Shelf“, indem sie sich zusammen mit ihren Followern monatlich einen Buch der Themen rund um die allgemeine Gleichberechtigung widmen möchte.
Also drei zauberhafte Nachrichten, die sich kein Muggel entgehen lassen und auf die man auf jeden Fall einen Blick werfen sollte!
[01. Januar 2016] Altes Kapitel abgeschlossen – Neues eröffnet?!
Auf den vergangenen Seiten des Jahres 2015, gab es weltbewegende Ereignisse, wie die terroristische Angriffe auf das Satiremagazin Charlie Hebdo und andere Pariser Plätze oder auch Menschlichkeit ausdrückende Entscheidungen, wie das Irische „Ja“ zur gleichgeschlechtlichen Ehe und die Solidarität in der europäischen Flüchtlingsfrage, aber ebenso beeindruckende Naturschauspiele, wie die Mondfinsternis im September. Und gewiss vermag ein jeder auf die ganz privaten Glanz,- sowie Tiefpunkte zurück zu blicken. Was auf den neuen Seiten geschrieben steht, kann ich nicht zu sagen, allerdings möchte ich an dieser Stelle – sozusagen dem Cliffhanger zweier Ausgangspunkte – das Jahresende gerne mit einem Ausblick auf das Kommende der Bücherwelt begehen.
So veranstalten beispielsweise Carlsen, Forever by Ullstein, Impress, sowie Piper passend zum Valentinstag vom 13. bis 14. Februar ein Revival der Herzenstage, bei welchen man wieder nach Belieben über alle möglichen Themen rund um diverse Herzensangelegenheiten diskutieren kann und zahlreiche Aktionen dazu findet. Nähere Informationen gibt es wie gewohnt hier.
Auch freue ich mich wieder auf die diesjährige Leipziger Buchmesse, zu welcher man auf dieser Seite ab den 18. Februar in Erfahrung bringen kann, welche Autoren einen erwarten und wie das Programm grundsätzlich gestaltet sein wird.
Ob Walter Moers, nachdem er „Das Schloss der Träumenden Bücher“, das eigentlich am 08. Oktober als Fortsetzung zu „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ erscheinen sollte, unbegründet und auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt hat, nun tatsächlich im Sommer den auf seiner Homepage angekündigten Band „Die Insel der Tausend Leuchttürme“, ein neues Abenteuer für Hildegunst von Mythenmetz, herausbringt, bleibt spekulativ. Man mag nur hoffen, dass es nach seinem letzten Buch und wie ein Rezensent so treffend formulierte, nicht der zweitlängste Prolog der Literaturgeschichte wird, sondern endlich wieder ein Roman mit fest „ge-moers-erter“ Handlung auf den Buchmarkt kommt. Auch erscheint zur Hälfte des Kalender Jojo Moyes „Ein ganzes halbes Jahr“ auf der Kinoleinwand, ein Film von dem man sich hoffentlich positiv überraschen lassen kann.
Persönliche Highlights werden für mich wiederum eher in dem letzten Quartal des Jahres zu finden sein. Zum einen ist für mich das Erscheinen von Sebastian Fitzeks neuem Roman „Das Paket“ ein unabdingbarer Termin. Gerade nachdem er (wie meiner Zusammenfassung der letzten LBM zu entnehmen ist), bei einer Podiumsdiskussion aus dem Nähkästchen plauderte und dabei von einem Herrn Kozlowski sprach, der ein Paket für einen Nachbarn annahm und dem eine Lebensveränderung widerfuhr. Ob raffinierte Medienstrategie oder tatsächlich Eingebung, sei dahingestellt… Zum anderen fiebere ich natürlich der „Buchverfilmung“ des Jahres entgegen: Phantastic Beasts and where to find them – ich bin gespannt, was man alles an Handlung aus dem Inhalt eines Lexikons zaubern konnte.
Auch den künftigen Ausgaben des Stern Crime blicke ich begeistert entgegen, was wenig verwunderlich ist, wenn einem der eigene Gatte mit einem Abonnement eine gelungene Geburtstagsüberraschung bescherte.
Allgemein habe ich im Vergleich zum Vorjahr endlich wieder mehr gelesen, gelebt und geliebt. Außerdem konnte ich einige neue Autoren für mich entdecken, ebenso wie mehr E-Books bei mir ‘Einzug’ erhielten. Auf GoodReads habe ich mir zudem versuchsweise wieder ein Leseziel gesetzt, einfach um zu schauen, ob ich als Freigeist ohne selbst vorgenommene Verpflichtung tatsächlich mehr schmökere oder doch zumindest etwas Motivation aus einem festem Ziel auf der literarischen Reise schöpfe. Ich hoffe auf jeden Fall, auf ein abwechslungsreiches Lesevergnügen.
In diesem Sinne einen guten Start ins neue Jahr – auf, dass ein jeder gesund und munter ein neues Kapitel aufschlagen und es letzten Endes viele positive Momente bereit halten möge!
[12. November 2015] O-Tons und andere, kreative Sprachschöpfungen
» Kannst Du mir bitte eine kurze Zusammenfassung in einem Satz, …
… so drei Zeilen, geben?. «
(Zitat, Meinereiner – Sarah McCourt)
Zum heutigen Tag des (schlechten) Wortspiels ist alles erlaubt: Ob die Mehrdeutigkeit der Polysemie, Klangähnlichkeiten in der Paronomasie oder auch die Buchstabenverdreher von Paragrammen, zu denen die gern verwendeten Anagramme gehören. Es darf nämlich nicht nur für Linguistik-Freunde nach Herzenslust an neuen Wortfindungen und Zweideutigkeiten getüfftelt werden – zumindest wäre dies dem Cartoonist Bastian Melnyk gewiss besonders recht, schließlich rief er dieses Tagesmotto erstmals 2006 ins Leben.
[12. Oktober 2015] Der Junge der immer leben wird – Harry Potter und der Stein der Weisen: Die Neuillustration
Jeder kennt Suchbilder und hier bietet Carlsen gleich einen ganzen Band randvoll damit an. Denn ein jeder der Harry Potter schätzt und liebt, kann sich in der Neuauflage des sagenumwobenen Bestsellers auf die ganz eigene Suche nach der Antwort auf die Frage begeben, ob sich die selbst geschaffenen Vorstellungen in den Illustrationen durch den Grafiker Jim Kay wieder entdecken lassen. Und wem das nicht genügt, der findet unter anderem Ausmalbilder, Banderolen und die näheren Hintergründe im Form eines Interviews mit dem Illustrator persönlich. Vorbei schauen oder vielmehr durchblättern und das Bücherregal erweitern, ist nicht nur für Fans ein Muss!
[07. September 2015] Medicus, Musen und metamorphosierte Mäuse
Im Anschluss meiner allmonatlichen Arztodyssee fand ich mich nach den Wirrungen der Funktionsdiagnostik mal wieder in einer örtlichen Filiale der Thalia-Buchhandlungen ein, in welcher ich mir erst einmal dank Lagerräumung, ganz in Beutlin-Manier, die Taschen voll schlug. Manches war zwar eher „Füllmaterial“, wie beispielsweise Seelen von Stephanie Meyer, aber durch den zweiten Teil der Zwölf-Wasser-Reihe (E.L.Greiff) oder auch Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand von Jonas Jonasson, kam dabei letztendlich eine lohnende Ausbeute zusammen.
Insgesamt ging folgendes, neuerliches Gepäck an Bord:
[03. August 2015] Immer der Nase nach…
Oder horch, was ließt von draußen herein.
Selten bietet ein Arztwartezimmer Grund zur Freude, doch dieses hier (in welches mich zwar keine Rhinos, aber dafür Rhinis – kurz für Rhinitiden – trieben), eingerichtet von einer lokalen HNO-Praxis, stellte eine große Ausnahme dar. Dort erwartet einen nämlich ein kleines, liebevoll zusammengestelltes Bücherregal, randvoll mit Romanen aus allen Sparten, bei dem man nach Herzenslust schmökern und gegen einen Obolus für den guten Zweck sich sogar die Schätze mit nach Hause nehmen kann. Mithin wird hier nicht nur eine Gesundheits,- sondern auch eine Kulturförderung vorgenommen.
Neben dem Hintergrund der sozialen Engagements sollten sich Bücher meiner Meinung nach, eigentlich in einfach allen Räumen etablieren beziehungsweise dieses Beispiel müsste zumindest für Fachkollegen als Vorbild dienen. Daumen hoch!
Bücher, Bücher, Hunderttausend Bücher -
Leipziger Buchmesse [14. März 2015]
Nach einigen Jahren Abstinenz öffnete die Leipziger Buchmesse am vergangenen Wochenende auch für mich endlich wieder ihre Tore. 42 Länder, 186 000 Besucher und 2263 Aussteller luden zum bunten Lesereigen ein. So wurde auch ich zusammen mit Kind und Kegel, also Mann und einem befreundetem Pärchen, Teil des großen Trubels. Trubel trifft es ausgesprochen gut, da zum einen samstags, wie immer zu erwarten, nicht nur die örtliche Verkehrslage, sondern auch die Messehallen beinahe auseinander brachen und natürlich anderseits sich die Warteschlangen bis auf das Außengelände wanden. Aber das muss man nun mal in Kauf nehmen, wenn die Zeit einem persönlich nicht mehr Raum für einen längeren Besuch lässt. Dies gestattete einem zumindest schon einmal einen anerkennenden Blick auf die zahlreichen Cosplayer und ihre oftmals detailreichen Kostüme. Außerdem fanden sich, wie man im Nachhinein resümieren musste, natürlich auch wieder verschieden große Perlen der Literatur ein.
Wenn man also den Kassenbereich einmal erfolgreich passiert hatte, blieb man noch kurz in den Fängen des besagtem Pärchens, in dessen Kielwasser man zu einer Gruppe wildfremder, aber keinesfalls unsympathischer Leute gebracht wurde.
Nach einem kurzen Gang durch Halle fünf, welche gut belebt war, kam es zu (K)einer Robinsonade auf der Fantasy-Leseinsel, da dort noch die letzten zehn Minuten von Wolfgang Hohlbeins Lesung „Der wilden Schwäne“ abgehalten wurden. Ich bemühte mich so dann erfolgreich um ein paar Buchsignaturen, beachtete aber leider – wie ich retrospektiv sagen muss – den dort ebenfalls sitzenden ‘neuen Jesus’ nicht weiter. Patrick Rothfuss’ Äußeres kann man einfach nicht treffender beschreiben, selbst wenn gleiche seiner literarischen Kreativität gewiss nicht gerecht wird. Stattdessen stieß ich auf einen kleinen Stand, an welchen ich einige Memorabilien der ‘Unendlichen Geschichte’ erwarb.
Nach anschließendem ausgiebigem Stöbern im Programmheft entschieden wir uns die illustre Gruppe wieder aufzulösen und so machte ich mich gleich auf in Richtung Kriminalbelletristik, da ich um 12.30 Uhr eine einseitige Verabredung mit Herrn Fitzek, Sebastian, entgegensah. Die ich zwar aufgrund der zuletzt erschienenen Werke des Autoren mit gemischten Gefühlen erwartete, welche ich aber trotzdem auf keinen Fall verpassen wollte. Also ich wusste davon, er nicht.
Pünktlich vor Ort musste ich feststellen, dass der Verlag vermutlich nicht mit einem solchen Ansturm der Zuhörerschaft gerechnet hatte, da das kleine Stuhlrondell um das Rednerpult bereits komplett gefüllt war und die Menschen fast auf dem Schoß des andere saßen beziehungsweise sich zusätzlich in großen Trauben rechts, sowie links der andere Gänge sammelten, so dass diese von den Bühnengeschehen faszinierten Zuschauern, blockiert waren. Normalerweise hätte ich dadurch wahrscheinlich nicht viel von dem Gelesenem und Fitzek selbst wahrnehmen können (denn leider gab es nur einen Lautsprecher zur Stimmverstärkung), doch hier geriet mir meine eher geringe Körpergröße und das zierlich, freundliche Aussehen zum Vorteil. Wie von einer Schreibfeder freigeweht öffnete sich mir nämlich nach und nach ein Gang in die vordersten Stuhlreihen (welche Muse hatte hier wohl ihre Finger im Spiel?!), so dass ich allen Passagen aus „Passagier 23“ gebannt folgen und dem darauffolgendem, öffentlichen Gespräch mit einer Droemer-Knaur Vertreterin problemlos lauschen konnte.
In Hinblick auf seinen aktuellsten Roman (den ich aufgrund der Erfahrungen mit dem ‘Nachtwandler’ bisher gemieden hatte) berichtete Fitzek, dass er kein klassisches ‘Traumschiff-Szenario’ entwerfen, sondern das natürliche Geschehen unter Deck eines Luxusliners für jeden erkennbar darstellen wollte. All das, was der normale Passagier einer Kreuzfahrt nun einmal nicht sieht oder sehen darf, sollte für den Leser und die Handlung, die im Übrigen für ihn selbst ab Seite achtzig schon eine starke Wendung erfährt, verdeutlicht werden.
Grundsätzlich steht bei ihm ansonsten während dem Schreiben nicht die Täterfrage, sondern mehr das Zwischenmenschliche, wie „Warum macht Person X dies und jenes?“ oder „Woher kommt dies und jenes Geschehen?“ im Vordergrund. Sebastian Fitzek wird mehr von den psychischen Hintergründen einer Figur, als den physischen Aspekten motiviert, aber diese Fakten konnten man ja bereits anderen Interviews entnehmen. Was aber noch interessant war, ist, dass bei ihm (ähnlich wie bei den Büchern von John Katzenbach – dem Fitzek zu seiner eigenen Freude schon einmal persönlich begegnet ist) die eher unwichtigen Personen, die Randcharaktere des Lebens, im Mittelpunkt der Handlung stehen. Es sind die Normalos aus denen sich seine Geschichten entwickeln, wie Herr Kosolowski, der nichtsahnend ein Paket für seinen Nachbarn entgegennimmt und dann plötzlich Teil einer großen Verschwörung wird. (Ein nette, kleine Schreibanekdote, welche an dieser Stelle zum Besten gegeben wurde.) Wobei auch nicht aus den Augen gelassen werden darf, dass es Fitzek sehr wichtig ist, selbst mit den Charakteren machen zu können, was ihm gerade beliebt und keinem starren Korsett folgen zu müssen.
Im Prinzip sei das Thriller-schreiben für ihn mit der Aufführung einer Komödie vergleichbar. Man muss die Pointe schon im Kopf haben, der Rest ergibt sich dann fast ganz von alleine drumherum, denn manchmal drehen und wandeln sich die Figuren auch gerne beim Entstehen.
Positiv ist ebenfalls auf jeden Fall (und zu meiner Überraschung!) hervorzuheben, dass Fitzek selbst auf die inhaltlichen Fehler seiner letzten Werke zu sprechen kam und sich die im Eifer des Gefechts entstandenen Fauxpas einzugestehen wusste. (Obwohl die dabei tragisch-tragende Rolle der Lektoren in der heutigen Verlagswelt, welche ein Buch zeitlich nur einmal lesen und parallel noch entsprechend korrigieren müssen, auch sehr aufschlussreich war.)
Was mich sich schließlich wieder mit ihm versöhnen ließ und man nur hoffen kann, dass er zu seinen einstigen Wurzeln zurück finden mag. Zumindest wage ich nun einen näheren Blick in „Passagier 23“, das natürlich noch vor Ort den Weg in meine Tasche fand und im Anschluss der Lesung superfreundlich signiert wurde.
Insgesamt noch überschwänglich und glücklich von meinem Treffen mit Fitzek, machte ich mich nun also auf die Suche nach meinen eigenen Männern, was gar nicht so leicht war. Denn abgesprochen war eine Beschreibung des Standortes via Handy, doch nur mein Gerät war im E-Plus Netz nicht überlastet. Die anderen Nutzer hatten allesamt weniger Glück. Fündig wurde ich schlussendlich nach einiger Zeit am ‘Spiegel(-Verlag)’, wie sollte es bei uns auch anders sein.
Nun konnten wir endlich in Ruhe durch die einzelnen Hallen schlendern und stöbern. Neben belanglosem wie Esoterik-Büchern von Christian Anders und den wichtigen, aber leider x-hundersten Zeitzeugenerzählungen, gelangten wir über einen Stand ‘Der Wächter von Avalon’ mit wunderschönen Lesezeichen-Replikaten, schließlich zu einem idyllischem, schottischen Pfleckchen, das frisch aus den Highlands nach Leipzig exportiert wurde. Erst später war uns bewusst, dass man ähnlich wie bei Rothfuss den Romanen von Diana Gabaldon leider nur oberflächlich Beachtung geschenkt hatte. Ihre Werke erhalten aber gewiss bald Einzug bei uns.
Doch auch Sohnemann (ein geduldigerer Messebesucher, als manch Erwachsener) kam beim Hoerverlag und seinem ein paar Stände weiter eigens angefertigten Buchdruck, vollends auf seine Kosten.
Von den Biographien, über einem Abstecher zu den großen Verlagen der Branche, wie Carlsen und Goldmann, ließen wir uns (weil wir bedauerlicherweise nicht rechtzeitig die Aufführung „ Der Zauberer der Smaragdstadt“ in den Kammerspielen besuchen konnten) von der Masse in die erste Halle, hin zur Manga Convention treiben. Mit typisch asiatischem Verpflegungsstopp ließ sich das bunte Angebot gleich viel besser erkunden.
So begrüßte einen ein intensiver, aber freundlicher Geräuschbrei und stieg einem sofort der vertraute Duft des traditionellen Tee-Pavillons (eine Mischung aus Teeblättern und anderen Teenager-Gerüchen) in die Nase. Nach einer Sailermoon-Podiumsdiskussion und einigen Cosplay-Auftritten (Elrond war wirklich authentisch), die wir mitverfolgten, entdeckte mein Mann den Comicwurm Ableger und erfreute sich an den Frankobelgischen Errungenschaften, untere anderem seinem seit Kindesbeinen an liebgewonnenem Buck Danny. Ich hingegen schloss Bekanntschaft mit einer schwarzen Nemu Neko, welche derart anhänglich war, dass sie irgendwie auch mit nach Hause kam. Bevor sich der Tag bereits dem Ende entgegen neigte…
Die diese, wie jeder Messe ansonsten auf jeden Fall innewohnende Hektik sorgte natürlich dafür, dass man leider nicht alle Stationen, welche ich eigentlich gerne angesteuerte hätte, besuchen konnte – dennoch war gerade diese Lebendigkeit ein Teil dessen, was mich endlich wieder frei und in meinem Element angekommen fühlen ließ. So war die Dämmerung schon lange hereingebrochen, als wir uns vom Messegelände verabschiedeten und zufrieden, den Kopf voll mit schönen Eindrücken, das diesjährige Kapitel „Leipzig“ zuklappten.
Jahresrückblick 2014
Wieder ist ein Jahr vergangenen und abermals steht man vor einem Resümee desgleichen. Wie waren die letzten 365 Tage, hat man die Zeit sinnvoll nutzen können und was bewegte einem vor allem? Für mich persönlich war es ein schwieriges Jahr, bei dem man in Zahlen zusammenfassen könnte, dass ich ungefähr ein Drittel der Zeit in Krankenhäusern, Arztpraxen, Wartezimmern und diversen medizinischen Institutionen verbringen „durfte“. Ein weiteres Drittel war der krankheitsbedingt geraubten Kraft und den Kampf mit meinem Körper geschuldet und das wohl wertvollste, letzte Drittel habe ich damit erfüllt, jeden noch so kurz erscheinen Moment des Lebens einfach mit meiner kleinen Familie zu genießen.
Emotional war das vergangene Jahr ebenfalls eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich bin froh endlich Klarheit zu haben, jedoch auch wütend all die Jahre über immer missverstanden und komisch angeschaut worden zu sein, wenn man zu erklären versuchte, weshalb etwas physisch in meinem (jungem) Alter nicht möglich war, obwohl dem ganz deutlich eine unveränderbar körperliche Ursache zugrunde lag, anderseits aber gleichermaßen glücklich wieder ein Auge für die wirklich schönen Dingen des Daseins gefunden zu haben. Und ich bin dankbar. Unglaublich dankbar! Meinem Mann gegenüber für seine ungebrochene Unterstützung, das Verständnis und all die zusätzliche Kraft, die ich geschenkt bekam. Aber ebenso gegenüber zwei Ausnahmemedizinern: Einer phantastischen Ärztin in Fulda und einer Professorin der Medizinischen Hochschule Hannover, die man getrost als deutsche Dr. House bezeichnen kann. Denn wenn es jemanden gibt, der für den medizinischen Eid, die Forschung und ihre Patienten lebt, dann sind es diese zwei Frauen, die ich jedem mit einer unklaren Systemerkrankung nur wärmstens ans Herz legen kann!
Lesetechnisch hingegen war das Jahr auch ziemlich durchwachsen. So komme ich statistisch gesehen gerade einmal auf 18 geschmökerte Werke und insgesamt 6900 gelesene Seiten. Vorgenommen hatte ich mir ursprünglich ganz andere Dimensionen, aber die Realität führt einen insofern zurück auf den Boden der Tatsachen, als dass man definitiv erkennt, dass ich ungern in Wartesituationen in fremde Welten eintauche und lieber auf das Unmögliche im Jetzt gefasst bin. Doch hoffe ich zumindest in den kommenden Monaten wieder etwas häufiger mich von Büchern einnehmen lassen und in dieser Hinsicht etwas produktiver sein zu können. Ein paar schöne Ausblicke stehen mit den Neuerscheinungen im Februar, auf die ich in Form von „Lotusblut“ bereits sehnsüchtig warte und der Leipziger Buchmesse beziehungsweise den kleinen regionalen Lesungen, welche ich in der lokalen Bibliothek für mich entdeckt habe, schließlich auch schon in den Startlöchern.
Positiv in Erinnerung bleiben werden auf jeden Fall der Balsam für die Seele, wie die kleinen, sowie großen Ausflüge und die Zuzüge in unserem Haushalt.
Ansonsten bringt eine Autoimmunerkrankung mit sich, dass man sich intensiver mit den eigenen Zielen im Leben beschäftigt. Solche Gedanken sollten allerdings nicht nur das „Privileg“ Erkrankter oder vom Schicksal gebeutelter Menschen sein, daher beinhaltet mein Wunsch für das kommende Jahr auch, dass ein jeder mal bewusst über seine eigenen Handlungen nachdenkt und im besten Fall erkennt, was wirklich wichtig (für sich und andere) ist. Es zählen letzten Endes nämlich nicht die Jahre im Leben, sondern das Leben in den Gleichen!
Persönlich freue ich mich bereits heute auf unseren Besuch, welcher pünktlich zum Jahreswechsel wieder vor der Tür stehen wird und die damit verbundenen, hoffentlich schönen Stunden die vor uns liegen. Somit blicke ich zuversichtlich auf die neuen Tage und hoffe, dass diese Zukunft nicht nur von meinem, sondern auch von vieler anderer Leute Blick hell erleuchtet sein möge.
In diesem Sinne ein schillerndes Prosit 2015!
Neuauflage [22. März 2013]:
Heimat – Ein unergründlicher Hafen der Möglichkeiten?!
Für ein Großteil der Menschheit ist der Begriff der Heimat, des zu Hauses, gleichgesetzt mit dem Ort ihrer Geburt; viele assoziieren durchaus ihrem momentanen Wohnsitz damit. Manche verbinden mit einem Solchen den Platz, den ihre Liebsten einnehmen oder eine Stelle, an die man gehen möchte, wen man viel Neues erfahren hat und dieses in seinen Gedanken, Gefühlen, sowie Erinnerungen und Emotionen verarbeiten möchte. Also einen Ort zur Rückkehr in Sicherheit und ein Ausgangsort für Spannung.
Oft ist man sich gewiss die eigene Heimat zu kennen, zu wissen wo sich diese befindet, unerschütterlich in seinem festen Glauben zu sein oder zumindest einen Punkt zu haben, nachdem man Ausschau hält. An was auch immer dieser nun festgemacht sein mag, ob Personen, Gefühle oder geografische Koordinatoren. – Aber manchmal ist das Ganze leider auch nicht so einfach, wie man es erwartet hat, manchmal spielt das Leben mit einem Katz und Maus… Dann ist man auf der Suche nach etwas ganz Bestimmten und entdeckt etwas, was man nicht finden wollte. Muss umdisponieren, sich den neuen Begebenheiten fügen und das Beste daraus machen. Auch wenn das Gefühl der Sehnsucht nach dem eigentlichen Ziel noch so groß erscheint. (Zumindest sollte man das probieren, ansonsten dürfte das Leben ziemlich trist verlaufen.)
So ist es auch mir und meiner Familie widerfahren. Normalerweise lebe ich nämlich frei nach dem Motto: “Heimat ist dort, wo dein Herz schlägt.” In diesem Fall sowohl, wo sich die von mir geliebten Personen aufhalten, als auch wo ich das finde, was ich suche:
» Freiheit! «
In jeglicher Form, ohne Grenzen, weder gesellschaftlichen, moralischen oder anderen Konventionen unterlegen. Ich war noch nie jemand, den es sonderlich lange an einem Ort gehalten hat, eher jemand, der ständig von Fernweh heimgesucht wurde und wenn jemand Nähe zu mir aufnahm, ich lieber die Flucht ergriff (mit Ausnahme meines Mannes [keine Ahnung, wie er das bewerkstelligt hat *zwinker*], sowie ein, zwei engen Freunden, die diese Macke einfach akzeptieren). Nicht weil ich die Verantwortung scheute, sondern viel mehr weil ich mich in meiner Selbst eingeschränkt fühlte. Nichtsdestotrotz gibt es seit je her einen, nein zwei Orte, bei denen es sich anders verhielt. An denen ich, wenn ich mich ihnen näherte, mein Herz schneller schlagen spürte, der Kopf ‘freier’ war, man ungewollt ein Lächeln auf die Lippen gezaubert bekam und wenn man eintraf, die Luft und Umgebung einfach nur erleichtert, als auch glücklich in sich auf sog. Kurzum man sich rundum wohl fühlte.
Kartologisch war, ist und wird das immer Hamburg sein. Als Nordlicht und Großstadtkind (ich wurde zwar in Niedersachsen geboren, aber ohne eine Meeresbrise, schwarzen Humor und vermeintlicher Unnahbarkeit geht es einfach nicht), brauche ich das meiner Meinung nach, nicht weiter zu erläutern und ist diese Stadt, das Bundesland, mit all seinen Höhen (und eventuell kleinen Tiefen) selbsterklärend.
Und der andere Platz befindet sich in mir selbst, tief in meinem Geist, wo die Phantasie sich ein zu Hause geschaffen hat. Wo Welten existieren, die aus Büchern, Geschichten und eigenen Gedanken geflochten wurden. Wo die Muse mit der Kreativität ein Stelldichein hat und der Regenbogen einen ins Reich der unendlichen Abenteuer mit nimmt.
Beides Orte, die ich in der vergangenen Zeit nur selten ‘heimsuchen’ konnte.
Zum einem weil meine Familie und ich frühzeitig unsere Wohnung gekündigt und leider keine neue Unterkunft in der ursprünglich angedachten Stadt finden konnten. (Wenn auf ein Immobilienobjekt mehr als 80 Interessenten kommen und man selbst Hundehalter ist, darf einen das nicht wundern.) Anderseits weil ich wegen all den zeitraubenden Pflichten, samt Umzugsvor,- und Nachwehen, kaum Gelegenheiten fand, zu entspannen, mal etwas zu Lesen oder gar zu Schreiben. – Mich also auch nicht dem Bibliothekarium widmen konnte.
Aber es gibt einen ganz entschiedenen Faktor, der, wenn man einmal weiß, wohin einen die eigene Reise tragen soll, einem immer Unterstützung bietet. Und zwar das diese Pfade (und die mit ihnen verbundenen Emotionen) meistens auch längerfristig bestehen bleiben.
So sind wir beispielsweise zwar nicht in Hamburg gelandet, jedoch Mithilfe und einem der wichtigsten Güter der Menschlichkeit überhaupt, der Freundschaft, in einer anderen Stadt gelandet. Die wir zwar nicht als unsere Heimat, allerdings ein neues zu Hause mit vielen sich neu eröffnenden Möglichkeiten, über die wir dankbar sind, nennen können. Und im Gegensatz zu Venedig, deren Lagune mit Untergrund-Stabilisatoren geschützt, aber die wahrscheinlich nicht das nächste Jahrhundert überdauern wird, bietet Hamburg bestimmt auch in einigen Jahren noch den Quell des ganz persönlichen Glücks.
Was zudem noch bleibt, ist die Phantasie und dieser Ort, den ich nun wieder mit neuem Schwung nach den wirren Wendungen des Zufalls, sowie den Umbrüchen durch den Umzug gerne erneut aufleben lassen möchte! Den ich mit neuen Rezensionen, alltäglichen Kuriositäten und amüsanten, sowie tiefgründigen, literarischen Analysen wieder Magie einhauchen werde.
Ich hoffe ihr seid vielleicht wieder ein Teil davon und könnt mit mir in die herrliche Welt der Buchstaben eintauchen…
… Auf das euch stets eine Spur vom Sternenalphabet auf diesem Weg heim geleiten möge!