Die unendliche Geschichte (Michael Ende)

(c) Roswitha Quadflieg

Autor: Michael Ende
Titel: Die unendliche Geschichte
Verlag: Thienemann Verlag (22. Auflage)
Erscheinungsdatum: 01. Januar 1979
Seitenzahl: 430
ISBN-10: 3522128001
ISBN-13: 978-3522128001

Rezension:

Der Roman „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende ist ein zur Phantastik gehörendes Buch über und mit der Geschichte des jungen Bastian Balthasar Bux. Ein wichtiges Kennzeichen ist, dass es geradezu rekursiv in sich selbst als in kupferfarbene Seide eingeschlagenes und mit einer ovalen mit zwei Schlangenbildnissen umfassten Musterung versehenes Werk mehrfach Erwähnung findet.

Der Beginn der Handlung deutet keinesfalls auf eine Unendlichkeit hin, denn Bastian flüchtet auf dem Schulweg vor dem Regenwetter in das Antiquariat von Karl Konrad Koreander, welcher ihn, da er auegnscheinlich durch das Eintreffen des Jungen in seiner Lektüre unterbrochen wird, unfreundlich, ablehnend, maßregelnd und somit perfekt zum bürgerlichen Zeitgeist der Zeit vor 1968 passend, behandelt. Doch dann erhält der Antiquar einen Anruf und Bastian wird wie magisch von dem Buch am Sessel des Händlers angezogen… In kalligrafisch ausgefertigter Schrift findet sich oberhalb eines ovalen Bildes der Titel wieder: Die unendliche Geschichte.

Spontan ergreift der junge Protagonist das Buch und rennt ohne Ziel aus dem Laden. Kurze Zeit später findet er sich vor seiner Schule wieder, instinktiv war er den ursprünglichen Schulweg entlang gelaufen. Doch statt verspätet in den Unterricht zu gehen, klettert Bastian bis hinauf auf den Schulspeicher, wo er wie er wusste ungestört sein würde, nimmt sich einige alte Decken, in welche er sich einkuschelt und beginnt in der Absicht sich komplett aus der Welt auszukuppeln und ein Teil des Buches der Bücher, der Unendlichen Geschichte, zu werden, das Werk zu lesen. So dass die Geschichte unweigerlich seinen Lauf und fortan die Phantasie des Lesers das Geleit übernimmt.
Beim Vorliegen einer entsprechenden Ausgabe erkennt man zudem, dass die Unendliche Geschichte, wie Bastian sie liest, in einer grünen Schriftfarbe gesetzt ist, doch die Unendliche Geschichte über Bastian selbst, die von ihm in seiner Umwelt erlebten Geschehnissen spielt, in rot dargestellt ist, was nicht nur farblich einen schönen Kontrast bietet. Auch die Gliederung der einzelnen Kapitel durch die Buchstaben des Alphabets ist ein gut verarbeitete Idee.

Inhaltlich strömen Boten aus ganz Phantásien zum Elfenbeinturm, der Residenz der Kindlichen Kaiserin, der Gebieterin über die Welt und bringen Kunde über eine sich anbahnende Katastrophe: die Lande und die Bewohner zerfallen zu Nichts, doch auch die Kindliche Kaiserin selbst ist scheinbar erkrankt. Die größten Weisen der medizinischen Heilkünste haben sich versammelt, besitzen allerdings keinerlei Macht, die Herrscherin zu heilen. Nur ein Held kann einen Retter finden und dieser Held trägt selbiger den Namen Atreju. Daher macht sich der Zentaur Cairon auf die Suche nach diesem noch unbekannten Helden.
Atreju wird bei den Grünhäuten gefunden, einem Stamm von Jägern und stellt sich als zehn Jahre alter Junge unmittelbar vor dem Initiationsritus zum Übergang in den Stand eines Jägers heraus, ein Ritual, bei dem zum ersten Mal einer der gefährlichen Purpurbüffel zur Strecke gebracht werden muss. – Ausgestattet mit dem Siegel der Herrschaft, Auryn, beginnt Atreju seine lange Reise nach der Suche einer Möglichkeit, die Kindliche Kaiserin zu heilen und Phantásien zu retten.

Seine erste Etappe führt ihn in den Haulewald, wo er auf verletzte Borkentrolle, die Körperteile durch den Kontakt mit dem Nichts verloren haben, trifft und die bald komplett dem Verschwinden anheim gefallen sein werden. Ein erster Eindruck des Ausmaße der Katastrophe wird an dieser Stelle nicht nur für Arteju und Bastian, sondern natürlich auch dem Leser sichtbar.
In der Nacht hat Atreju dann eine Vision von seiner Fast-Jagdbeute, einem großen Purpurbüffel, der sich bei ihm mit einem Rat für sein Leben bedankt; Atreju möge den Hornberg, Wohnort der Uralten Morla, in den Sümpfen der Traurigkeit aufsuchen, denn sie könne ihm weitere Informationen geben. Nach ein paar Tagen erreicht Atreju schließlich die Sümpfe und reitet blindlinks hinein und bereits nach einer gewissen Wegstrecke wird sein sprechendes Pferd Artax von den Depressionen auslösenden Wirkungen der Sümpfe überwältigt. Es verunglückt und muss vom durch Auryn vor Schaden bewahrten Atreju zurückgelassen werden. Etwas später erreicht der Held so alleine den Hornberg, welcher sich als der riesige Panzer der Sumpfschildkröte Morla herausstellt.

Die uralte Morla ist, ob ihres Alters wegen, des Lebens höchst überdrüssig und verweigert Atreju daher jegliche Hilfe, jede Information, die dazu dienen könnte, Phantásien und somit auch ihr eigenes Leben vor dem Nichts zu retten. Doch Atreju kann sie mit einer List zum Reden bewegen, denn wenn ihr alles egal sei, könne sie ihm auch genauso gut helfen. Daraufhin erklärt die Morla, dass die Kindliche Kaiserin einen neuen Namen braucht. Sie ist uralt und ewig jung zugleich. Ihr Dasein, ihre Lebensspanne kann nicht mit Zeit oder Dauer gemessen werden, sondern wird durch Namen unterteilt. Sobald ihr Name in Vergessenheit gerät, benötigt sie einen Neuen, allerdings sei kein Wesen in Phantásien dazu imstande. Als Atreju wissen will, wer es könne, rät ihm Morla, die Uyulala im Südlichen Orakel aufzusuchen und ihr diese Frage zu stellen. Ebenso räumt sie jedoch der jungen Grünhaut keine Chance ein, rechtzeitig dorthin zu kommen: nicht nur, dass der Ort zu weit entfernt liegt, um ihn in seiner Lebensspanne zu erreichen, sondern bis dahin wird auch Phantásien schon im Nichts versunken und die Kindliche Kaiserin tot sein.

Ohne sein Reitpferd kämpft sich Atreju trotzdem aus den Sümpfen heraus und irrt durch die angrenzende Felswüste, die er als die sogenannten Toten Berge erkennt, ein Ort, an dem laut den Sagen ein Geschöpf namens Ygramul, die Viele, haust. Außerdem weiß er nicht, dass ihn ein dunkler Schatten verfolgt, der sich aus dem Nichts in einer fernen Heide materialisierte und Atreju bereits ziemlich dicht auf den Fersen ist.

Am Wohnort, einem Spinnennetz, der Ygramul, die widerum eine Art Schwarmwesen mit wandelbarer Form ist und kämpft gerade Glücksdrachen mit den Auswirkungen der ihm prekären und verworrenen Situation. Aufgrund des Schutzes von Auryn traut sich Atreju, Ygramul mit seinem Anliegen zu konfrontieren (an dieser Stelle hallt ein Schrei durch die Schlucht… Bastian hat beim Lesen auf dem Speicher geschrien, doch ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar, ob seine Handlungen die Geschichte beeinflussen…) und verlangt den Drachen als Reittier, was Ygramul wegen der garantierten Freiheit für jedes Wesen, seinem Naturell zu folgen, verweigert. Als Alternative bietet sie ihm ihr Geheimnis an – ihr Gift tötet innerhalb von einer Stunde, doch erlaubt es auch jedem Gebissenen, sich zu jedem Phantásischen Ort nur durch die Kraft der Gedanken zu bewegen. Atreju lässt sich beißen und wünscht sich zum Südlichen Orakel.
Sein Verfolger, von wolfsartiger Gestalt, erreicht indes die Schlucht, kann vom Protagonisten allerdings keine Spur mehr finden.

Durch die Überlistung von Ygramul entkommt Atreju dem sicheren Tod. Auch der Glücksdrache, Fuchur, einer im Übrigen meiner ganz persönlich Meinung nach, der magischsten und besten Figuren des Buches, gesellt sich zu ihm und bestreitet fortan die Reisen mit ihm. Die Verletzung des Ygramul klingen später durch Fuchurs sprichwörtlich bei den Gnomen Urgl und Engywuck, gefundenem Glück ab.

Gemeinsam begeben sie sich auf den abenteuerlichen Weg zum Orakel. Das erste der drei Tore, das Große Rätseltor passiert er ohne Mühen: die bewachenden Sphinxen lassen ihn durch. Beim Zauber Spiegeltor, in dem dem Betrachter sein wahres, inneres Wesen erscheint, sieht er ein Bild eines kleinen pummeligen Jungen in einer Anhäufung von Decken und passiert auch dieses Tor. Auch das letzte der drei Tore vermag er zu durchschreiten und begegnet letztendlich dem Orakel.

Die körperlose Stimme der Stille der Uyulala, mit der Atreju ausschließlich in Reimen sprechen kann, verkündet ihm, dass Phantásier nur Figuren in einem Buch seien, die täten, wozu sie erfunden wurden und nichts eigen Neues erschaffen könnten. Nur Menschen wären dazu fähig, Menschen, die von Uyulala (gleichermaßen wie bei dem Autor C.S. Lewis) als „Adamssöhne“ und „Evastöchter“ bezeichnet werden.
Für einen Phantásier, sei der Weg zu den Menschen, deren Welt jenseits ihrer läge, zu weit,weshalb sie nicht dorthin reisen können. Die Menschen hingegen müssen, um nach Phantásien zu gelangen, nur eine verhältnismäßig kurze Strecke zurück legen, doch hätten sie den Weg vergessen und glaubten sowieso nicht mehr an seine Existenz. Aber allein ein Menschenkind würden reichen, um Phantásien zu retten, so erkennt Bastian an dieser Stelle, dass er selbst angesprochen ist und erklärt sich bereit Unterstützung zu leisten, auch wenn es ihm noch unmöglich erscheint, in diese verborgene Welt zu reisen.

Atréju und Fuchur begeben sich also auf die Suche nach einem Menschenkind, doch trotz tagelangem Fliegen bringt sie dies nur über ein weites Meer und an ihre physischen Grenzen, aber nicht an die Phantásiens. Woraufhin Fuchur den Einwand erhebt, dass die junge Grünhaut nur den Weg zur Heilung der Kindlichen Kaiserin finden und nicht etwa den Heiler, das Menschenkind selbst, suchen sollte, was Atreju mit der Bitte, um nur eine weitere Stunde Flug auf der Suche nach der Grenze, akzeptiert. Diese führt letzten Endes zu einem Kontakt mit den vier sich streitenden Windriesen Lirr, Baureo, Schirk und Mayestril, welche Atreju mitteilen, dass es in allen vier Windrichtungen keine Grenzen von Phantásien gibt, denn Phantásien ist grenzenlos. Unmittelbar darauf vergessen sie die Anwesenheit von Fuchur und seinem Reiter, die in den durch den Streit ausgelösten Sturmwinden umhergewirbelt werden. Atreju stürzt ins Meer und verliert dabei Auryn, gerettet nur durch die Meeresbewohner wird er zu einem Strand des Gelichterlands tragen. Hier läuft wiederum alles vermeintlich darauf hinaus, dass Atreju, wie fast etliche phantásische Wesen, welche in einer Prozession freiwillig-zwanghaft in das Nichts springen, gleiches auch tut, jedoch gelingt es ihm sich von der Anziehung des Nichts lösen. Nach einiger Zeit der Wanderung auf einer Straße erreicht Atreju sodann eine verlassene Stadt, aus der offensichtlich die Wesen der Prozession stammen und aus deren Mitte ein grausiges Heulen ertönt – es ist ein Werwolf namens Gmork, kein phantásisches Wesen, kein Mensch, der dort unrettbar angekettet kurz vor dem Tod steht. Ein unvorhergesehenes, aber zu erahnendes Ereignis nimmt an dieser Stelle seinen geschichtlichen Lauf.

In der Zwischenzeit vermochte Fuchur Auryn aus den Tiefen des Meeres zu bergen und wurde von ihm unbändig zu Atrejus Aufenthaltsort gezogen. Im letzten Augenblick rettet Fuchur Atreju vor dem Nichts, woraufhin Beide mit dem Wissen über die mögliche Rettung Phantásiens zum Elfenbeinturm zurückkehren, wobei der Held seine Reise als Niederlage und gescheitert empfindet , da er als Retter, der Kindlichen Kaiserin den so dringend benötigten neuen Namen nicht verleihen konnte.
Bei seiner Ankunft überrascht die Kindliche Kaiserin ihn allerdings mit ihrer Offenbarung, dass sie bereits wusste, wie sie und das Land gerettet werden können, seine Abenteuer aber unbedingt notwendig waren, um den menschlichen Retter her zuführen: es ist Bastian, der weiterhin intensiv die Geschichte liest! Doch Bastian weiß nicht, wie er Phantásien und die Kindliche Kaiserin retten solle.

Aus diesem Grund macht sich die Kindliche Kaiserin in ihrer von vier der sieben Unsichtbaren Mächte getragenen Sänfte auf, den Alten vom Wandernden Berge zu suchen, denn dieser kann den Retter herbeirufen (die drei anderen unsichtbaren Mächte bringen Atreju und Fuchur an einen mysteriösen vor dem Nichts sicheren Ort).
Inmitten des Schicksalsgebirges findet die Kindliche Kaiserin den Alten, der der Chronist von Phantásien ist, in einer Behausung, die einem Ei gleicht. Er weiß alles, was bis zu diesem Zeitpunkt vor Ort geschehen ist, kann jedoch in der Unendlichen Geschichte, wie sein Werk heißt, nicht vorblättern. Auf Wunsch der Kindlichen Kaiserin beginnt der Chronist jedoch seine niedergeschriebene Geschichte von Vorne zu erzählen, was Bastian als endlose Schleife in seinem Kopf wahrnimmt und seinem Wunsch, ein Teil des Ganzen zu sein, näher bringt.
Durch das Rufen des ihm schon lang bekannten neuen Namens der Kindlichen Kaiserin, Mondenkind, wird diese aus dem Eihaus befreit, mit dessen Zerplatzen ebenso Phantásien neu geboren wird. Gleichzeitig zieht es Bastian Schlag Mitternacht in das Buch hinein und er landet in der neuen Welt, die er fortan mit seinen Wünschen zu gestalten vermag: von der Goldäugigen Gebieterin der Wünsche, der Kindlichen Kaiserin, erhält Bastian nämlich ein Sandkorn, in dem wie bei dem Urknall aus Wünschen die gesamte Welt von seinem Phantásien entstehen wird.

Doch der für diese ‘Gabe’ zu zahlender Preis wird nicht unerhebliche sein…

Bastian beginnt munter, Phantásien und sich selbst zu gestalten. Manche der Gestaltungen zeigen tiefe Begehren, manche sind oberflächlich, doch es klingt immer eine gewisse egoistische Auseinandersetzung mit seinem früheren Leben als dicklich, ungeschickter, abgelehnter Junge durch, der nun dagegen seine Wunschfähigkeiten einsetzt, ohne zu bedenken, dass es niemals etwas geschenkt gibt. Weder in der Realität, noch in der von ihm nun geschaffenen Welt. Für jeden von Bastians in Phantásien geäußerten Wünschen, verliert er eine Erinnerung an sein bürgerliches Leben.Sein Wunsch nach einem Wiedersehen mit seinem einstigen Ego Atreju, führt ihn beispielsweise in die Silberstadt Amargánth, in der er letztendlich neben den beiden Charakteren weitere Gefährten für seine Reisen findet.
Vordergründig begibt sich Bastian mit seinem nach und nach anwachsendem Gefolge nun auf die Suche nach einem Weg aus Phantásien hinaus und in die Welt der Menschen hinein, um diese genau so zu heilen, wie er es bereits mit Phantásien getan habe, doch eigentlich verfolgt er nur seinen „Weg der Wünsche“, in dem es keinen Umweg und keine Abkürzungen gibt und der ihn direkt zum Elfenbeinturm führen soll. Doch Atreju und Fuchur erfassen, dass Auryn zwar den Weg gibt, aber auch Bastians Ziel verschwinden lassen wird, was zu einem immer wieder aufflammenden Konflikt der beiden Freunde führt.

In der Zwischenzeit näherte sich die Anhängerschaft der übermütigen Hauptfigur, dem Garten Oglais, einem Wald aus fleischfressenden Orchideen, der zum Zauberschloss Hórok, auch ob seiner Form als die Sehende Hand bekannt, gehört, in dem die mächtige und böse Zauberin Xayíde lebt. Xayíde vermag es durch ihre scheinbare Unterwerfung, viele schlechte Eigenschaften in Bastian zum Vorschein zu bringen, was nach einiger Zeit und in unmittelbarer Nähe zum Elfenbeinturm zum Bruch zwischen ihm und seinem einstigen ‘Idol’ Atreju, der sich zum Kindlichen Kaiser als Ersatz für die Kindliche Kaiserin krönen will, führt. Erst im allerletzten Augenblick geschieht etwas, dass letztendlich einen Wendepunkt markiert: in einer Schlacht um den Turm verletzt Bastian Atreju mit seinem im Zorn gezogenen Zauberschwert, was Bastian veranlasst nicht mehr seinem egoistischen Wunsch, dauerhaft in Phantásien bleiben zu können, zu folgen und eine katarrhische, läuternde Reise aufwirft, welche ihn als erste Station in die Alte Kaiser Stadt führt. – Wohnort aller Wesen, die als Menschen nach Phantásien kamen und versuchten, der Kindlichen Kaiserin mittels Auryn ihre Macht wegzunehmen, doch bei diesem Versuch alle ihre Erinnerungen an ihr wahres Ich und die Welt der Menschen verloren und daher verdammt sind, auf ewig im Jetzt einer zufälligen Geschichte unter Aufsicht des Affen Argax zu verharren. Bastian schafft es noch, dieser Aussicht zu entkommen, denn er hat noch ein paar Erinnerungen übrig, aber, so Argax’ Ansicht, nicht mehr ausreichend, um aus Phantásien heraus zu kommen. Dennoch erhält er den Rat, sich zum Bergwerk Yors Minroud zu begeben, seine vielleicht allerletzte Rettung. Mit diesem Wink verlieren Bastians Wünsche nach Bewunderung und Ehrfurcht ihre Bedeutungen, womit auch Xayíde ihre Existenzberechtigung (wieder) entsagt wird.

Auf dem Weg zum Bergwerk verbraucht Bastian seine allerletzten Erinnerungen, kommt allerdings im Änderhaus bei Dame Aiuóla und nach der Entdeckung seines Wahren Wunsches – der Fähigkeit zu Lieben – auch am eigentlichen Ziel an.
Der blinde Bergmann Yor erklärt ihm, dass ganz Phantásien auf vergessenen Traumbildern gebaut ist, die er als Marienglasartige Bildnisscheiben fördert. Auf Yors Einladung hin, fährt Bastian in die Grube ein und sucht still und geduldig nach einer ihn berührenden Aufnahme. Als er eine findet, das einen traurigen, bekümmerten Mann in einem weißen Kittel, der ein Gipsgebiss in den Händen hält und in einen Eisblock eingefroren ist, zeigt, wird er von einer tiefen Sehnsucht nach diesem Mann erfasst, so dass er das allerletzte, ihm verbliebene vergisst: seinen Namen.

Yor schickt ihn daraufhin mit der Maßgabe, auf das Bild aufzupassen, zum letzten Reisepunkt, der Quelle der Wasser des Lebens. Auf den Pfad dorthin wird er jedoch von seiner Vergangenheit in Form der Schlamuffen, welche ihm seine Kursichtigkeit im Wünschen zürnen, eingeholt. Ohne Wunschkraft ist der Junge ohne Namen allerdings hilflos und kann den bevorstehenden Angriff nicht abwehren. Allein etwas viel Wichtigeres rettet ihn schließlich aus dieser Situation, woraufhin der namenlose Protagonist nun freiwillig das Auryn ablegt und zusammen mit seinen plötzlich erschienenen Freunden in das Innere des Amuletts transportiert wird – zur Quelle der Wasser des Lebens. Doch die zu bestehenden Prüfungen sind zu viel für die Titelfigur, denn dieser Name, der einem Wesen wahre Wirklichkeit verleiht, ist von ihm vergessen worden…

Nur durch den Einsatz und dem für ihn Bürgen seiner Gefährten können sie allesamt zur Quelle vortreten: Denn Freundschaft lässt menschliche Defizite vergessen.
Nach einem Bad in den Wassern kehrt Bastian, erfüllt von Freunde, mit den Worten „Vater! Vater! – Ich – bin – Bastian – Balthasar – Bux!“ auf den Lippen schließlich in die Menschenwelt zurück.

Nicht alle der Gaben aus Phantásien sind dabei verschwunden. Mut und Selbstbewusstsein sind geblieben, ebenso wie vieles mehr. Nicht nur für sich, sondern auch für seine Umwelt und die Familie. Ein Neuanfang auf unterschiedlichsten Ebenen, so auch im Epilog gegenüber dem Antiquar Koreander, dem Bastian jetzt den Diebstahl und den Verlust des Buches gestehen will, ohne dass sein Vater, wie so oft früher, die unangenehmen Aufgaben für ihn übernimmt und welcher sowohl anders, als erdacht und mit einer interessanten Theorie aufwartet.

Ein Buch das nicht nur viele Projektionsflächen bietet und neben der für jeden individuell auslegbaren Moral, ein Spiegel für die Gesellschaft und sich selbst darstellt, sondern auch einfach einen wunderbar zu lesender Roman ist. In welchem für ein mittlerweile bekanntes, simples Phänomen, ein phantastisches Gewand geschneidert wurde, dass hervorragend passt, authentisch ist und ebenso Freude bereitet, wie zum Nachdenken, als auch Diskutieren anregt.

Als ich mich persönlich das erste Mal, damals zusammen mit meiner Großmutter, auf die Reise nach Phantasien begab, war ich noch sehr jung, seitdem wurde ich oft auf ganz verschiedenen Wegen dorthin getragen, einmal sogar direkt von der ‘Unendlichen Geschichte – Requisitenausstellung’ in Babelsberg – Momente, welche die Quelle des Wasser des Lebens wieder reichhaltig fließen lassen. Denn wie heißt es auf den letzten Seiten des Buches so schön: »Es gibt Menschen, die nie nach Phantasien kommen, [... ebenso] gibt es Menschen, die können es, aber sie bleiben für immer dort. Und dann gibt es noch einige, die gehen nach Phantasien und kehren wieder zurück. So wie du. Und die machen beide Welten gesund. [...] Es gibt eine Menge Türen, nicht nur Bücher, es gibt noch andere Möglichkeiten, nach Phantasien und wieder zurück zu kommen.«
Und solange man die Botschaft des Autoren, weder sich selbst, noch den Blick für seine Handlungen und die Realität aus den Augen zu verlieren, beherzigt, sollte man sich Proviant einpacken, den Schritt wagen und immer, wenn es einem beliebt, die verschlungenen Pfade der Fiktion entlang wandern.

Wertung: 6/7 Schreibfedern
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