Autor: Judith Winter
Titel: Siebenschön
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
Erscheinungsdatum: 01. Februar 2014
Seitenzahl: 432
ISBN-10: 3423214899
ISBN-13: 978-3423214896
Rezension:
„Siebenschön“ ein Spannungsroman von Judith Winter, ist der Auftakt für das Ermittlungsduo der Einheit für Kapitaldelikte Em(ilia) Capelli, sowie Mai Zhou und spielt in Frankfurt am Main, wo ein soziopathischer Serientäter bizarre Morde inszeniert.
Em die Anfangs ob der Entscheidung ihres Vorgesetzten, die ihr neu zugeteilte, sechsundzwanzig jährige und somit zwei Jahre jüngere, Partnerin Zhou alles andere als bereitwillig Willkommen heißt, da diese einem langjährigen Kollegen des Rauschgiftdezernats vorgezogen wurde, wird ebenso wie der Leser umgehend mit dem ersten Mord konfrontiert.
Dabei handelt es sich um das makabre „Spiel“ eines Täters, der einem nicht sofort erkennbaren Muster folgend vermeintlich unbekannten Zivilisten klassische Postkarten schickt, die diese, respektive die Polizei, unweigerlich zum Fund eines mehr oder weniger brutal zu Tode gebrachten Menschen führen. Weder Alter, Geschlecht oder Herkunft der Toten stimmen überein, noch gibt es irgendwelche direkt geknüpften Kontakte. Nach und nach erbringen jedoch die Untersuchungen der individuellen Hintergründe, sowie Lebensgeschichten deutliche Hinweise auf das „Warum“ – auch das zugrunde liegende mutmaßliche „Wie“ des Täters, das eine pedantische Muster, werden aufgedeckt.
So dass es letztendlich zu einen schnellen, dramatischen Finale in der Frankfurter Innenstadt, auf der Baustelle der EZB-Zentrale kommt, auf der wiederum Capelli und Zhou dem Täter nach einer Verfolgungsjagd persönlich gegenüber stehen.
Aufgelockert wird die Ermittlungsgeschichte durch Einblicke in private Details zu dem menschlich spannend gezeichneten Kommissarinnen. Keine der Damen entspricht nämlich einem der weit verbreiteten Frauenklischees, wobei die Beiden gerne grundlegend von ihrem Umfeld in die entsprechenden Rollen gedrängt werden. Sei es was die ‘Stutenbissigkeit“ oder ebenso eine fernöstliche Zurückhaltung betrifft.
Außerdem schenken sich für die Dauer des Falls die zwei weiblichen Akteure trotz der vordergründig „unstimmigen Chemie“ nichts, weshalb sie in ihrer eigentlichen Arbeit doch wunderbar zusammen harmonieren. – Die Autorin lässt ihre Figuren beispielsweise besonders in Zeugenbefragungen mehrfach nur mit Blicken, ohne Worte oder über Gedanken kommunizieren, weshalb ein intelligent, erfrischendes Ermittlerduo entsteht. Auch der spezielle Humor, welcher in das Buch mit eingeflossen scheint, spricht für sich und lässt einen absolut positiven Eindruck zurück.
Gerne würde ich Capelli und Zhou auch in der realen Welt begegnen, leider stellt dies aber selbst mit tiefen Graben in Minen von menschlichen Persönlichkeiten, ob der enorm hohen Mengen an „taubem Gestein“, oft ein eher schwieriges Unterfangen dar und zwei Persönlichkeiten mit diesen sich ebenbürtigen und sympathischen Wesenszügen auf einmal zu finden ist meiner Erfahrung nach, leider sowieso ein Ding der Unmöglichkeit.
Insgesamt gibt das Werk auf jeden Fall eine hoch spannende, als auch gut durchdachte Handlung wieder, die in sechs Kapitel gegliedert wurde, welche einzelnen Tagen aus den Ermittlungen entsprechen, stets von interessanten Zitate beziehungsweise Lebensweisheiten gesäumt sind und noch einmal mit flüssig zu lesenden, kürzeren Unterkapiteln versehen wurden. Die Atmosphäre, auch was die Internationalität und Vielfalt Frankfurts betrifft, wurde ansonsten ebenfalls authentisch dargestellt. Zudem ist es interessant, dass die Pedantik, als auch das Streben des rationalen Musterbildens des Täters in der Wahl des Buchtitels wiedererkennbar ist. So hat die Zahl ‘Sieben’ schließlich nicht nur in kulturellen Aspekten, wie verschiedenen Religionen oder der Medizin eine Sonderstellung, sondern ist auch in der Psychologie eine immer gern gesehene Diskussionsgrundlage. Ein Zyklus, der sich zumindest aus der Menschheitsgeschichte nicht mehr wegdenken lässt. Davon abgesehen fand ich es spannend, dass in der Chinesischen Zahlenlehre der Sieben eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung der Frau zugeschrieben wird, welche somit im Prinzip wieder den Handlungsbogen zu den beiden Protagonistinnen schlägt.
Auch das Leitthema aus der Psychologie oder vielmehr der Erschaffung eines Spiegels um dem Vorhalten im Angesicht der Gesellschaft desselben, ist gelungen. In sich wirkt alles stimmig, rund und ausgeglichen. Ein Paradebeispiel für eine gute Symbiose aus unterhaltender Literatur und analysierendem Gesellschaftsroman.
Ansonsten ist es schwierig die vielen Facetten des Buches in Worte zu fassen, weil es selbst nach mehrmaligen Überdenken scheint, als wolle die Geschichte einfach nicht erneut erschrieben werden und als können die Meinungen nur oberflächlich die Tiefe und das Gefühl der Begeisterung wiedergeben. Dennoch kommt einen dazu ein Zitat in den Sinn, dass in wenigen Worten die im Werk lebende Paarung von Witz, sowie Seriosität wiedergibt und das sich herrlich fortführen lässt:
„Sie wissen doch bestimmt, was man Psychologen nachsagt, oder?“, setzte Raya Hosseini an.„Nein, Was? „Man sagt, die meisten von ihnen hätten nur Psychologie studiert, um herauszufinden, warum sie den Knall haben, den sie haben…“
… Oder im Fall der Autorin um gute Bücher schreiben zu können!
Wie dem auch sein möge, ist das definitiv der erste Kriminalroman, der mich seit Langem dadurch überrascht hat, dass er mich nach dem Erreichen der letzten Seite mit einem Gefühl zurückließ, das man nur selten bei wirklich guten Büchern geschenkt bekommt. Nämlich das Bedauern bereits am Ende des Werkes angelangt sein, keinen vergleichbaren Lesenachschub zu haben und auf eine Fortsetzung erheblich Warten zu müssen. Deshalb freue ich mich bereits heute auf den zweiten Fall für die beiden Protagonistinnen aus der Finanzmetropole.
Quotes:
- Irgendwann war sie so verunsichert gewesen, dass sie beschlossen hatte, ihre Gedanken und Gefühle, insbesondere die negativen, konsequent für sich zu behalten. Ironischerweise hatte ausgerechnet diese emotionale Totalverweigerung zur Folge, dass sie das Klischee – und damit offenbar auch die Erwartungen ihrer Mitmenschen – voll und ganz erfüllte. […] Denn obwohl sie seither nur noch selten aneckte, hatte sie tief in ihrem Inneren das Gefühl, einen Verrat zu begehen. Einen Verrat an sich selbst.
- Wir sind so leicht zu täuschen in diesen Zeiten. Wir verlassen uns auf ein Geräusch, ein Display, die Stimme eines Navigationsgerätes, einen Lebenslauf bei Facebook. Und in Wahrheit ist nichts so, wie es scheint.
- „Kriminalpolizei“, rief sie dem verdutzten Lieferanten zu, der gerade mit einer leeren Sackkarre aus dem Gebäude trat. „Wir brauchen ihren Wagen!“ „Haben Sie den Verstand verl…“, setzte der Mann an, doch weiter kam er nicht. „Die Schlüssel!“, schrie Zhou, indem sie ihm kurzerhand ihre Dienstwaffe unter die Nase hielt. „Die … die stecken“, stotterte der Lieferant. […] „Das sind ja ganz neue Methoden“, stellte Em fest, nachdem sie die Beifahrertür zugeknallt hatte. „Wieso?“ „Na ja, ich zeige den Leuten normalerweise meinen Dienstausweis. Nicht die Waffe.“
Wertung: 6 /7 Schreibfedern
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