Isch geh Schulhof (Philipp Möller)

(c) missbehavior.de; Pauline Schimmelpenninck Büro für Gestaltung, Berlin

Autor: Philipp Möller
Titel: Isch geh Schulhof – Unerhörtes aus dem Alltag eines Grundschulehrers
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsdatum: 21. September 2012
Seitenzahl: 368
ISBN-10: 3404606965
ISBN-13: 978-3404606962

Rezension:

Philipp Möller, studierter Diplom-Pädagoge für Erwachsenenbildung und mittlerweile als freier Autor in seiner Heimatstadt Berlin tätig, schildert in seinem ersten Buch „Isch geh Schulhof“ seine zweijährigen Erfahrungen als Quereinsteiger im dem Lehrberuf an einer Grundschule der Hauptstadt der Republik. Vom Assistenten der Schulleitung, geht es über die Posten als Vertretungskraft für Mathe, sowie vom befristet angestellten Sport,- und Englischdozenten sogar hin zum Klassenlehrer, bevor sich das Schultor schließlich wieder hinter ihm schloss und er seine Berufung als Familienvater und Autor entdeckte.

Integration der besonderen Art, JÜL-Klassen und die Diskrepanz zwischen politischen Wunschvorstellungen, sowie menschlicher Realität sind nicht nur die Lei(d)tthemen des Werks, sondern auch das täglich Brot des Pädagogen. Der interessierte Leser erfährt Wissenswertes aus der Welt des Schulwesens und lernt wünschenswerterweise mehr Verständnis, sowie Anerkennung für das Los aller Beteiligten aufzubringen.
Manchmal wirken die guten Diskussionsansätze und Verbesserungsstrategien jedoch leider etwas fingiert, unauthentisch und gestellt. Dies ließe sich unter Umständen auf den Begriff Oberlehrerhaft reduzieren, aber vielleicht bedarf es manchmal gerade einer solchen Tonlage, um durch alle Gesellschaftsschichten hindurch das gleiche Resultat erzielen zu können und auf die Grundproblematik „Schule heute“ aufmerksam zu machen.

Wie schon der Autor selbst seine Intention für diesen Tatsachenbericht erläuterte, umfasst das Buch die Höhen und Tiefen des Lehrerberufs, gibt den bedrohlichen Zustand der Bezirksgrundschulen wieder und was Gleiches in naher Zukunft für die Gesellschaft bedeuten wird, sofern sich dies nicht ändern sollte. Doch auch Sparmaßnahmen und nicht durchdachte Konzepte der Bildungs,- und Integrationspolitik werden nicht Außen vorgelassen.
So beschreibt die autobiographische Schilderung eindrucksvoll die Hilflosigkeit der Schüler, des Lehrpersonals, aber ebenso der verschiedenen Institutionen des Bildungssystems bis hin zur Politik. Zusammengefasst das Ungemach des ganzen Dilettantismus.

Alles tadellose und profunde Motive, die man sich definitiv zu Herzen nehmen sollte, wären da nicht die ersten Zeilen des Nachwortes, welche das Buch leider gleich in einem völlig anderem Licht erscheinen lassen und den ursprünglich positiven Eindruck ins Negative verkehren, was schade ist. Torheit und nahezu missionarischer Fanatismus, selbst wenn dieser in den Mantel des Humanismus gekleidet ist, sind nämlich meiner Meinung nach, die falschen Werkzeuge für einen aufklärerischen Zweck. Da erscheint auch der Relativierungsversuch des zuvor Absolutistischen nicht glaubwürdig, denn wie die Wise Guys in ihren Song „Philosophen“ einst schon so treffend formulierten und ein jeder für sich selbst ergänzen kann, zieht man eher nachfolgenden Schluss:

„Ein Mann, der Schopenhauer, der macht mich wirklich sauer…
[…] … der konnte etwas meinen und es gleichzeitig verneinen. [...]“
- Man nannte diesen Stuss, hochtrabend Humanismus.

Lässt man die persönliche Lebenseinstellung von Herrn Möller und die für ihn zentralen Aussagen jedoch einmal unbeachtet, bleibt ein Erfahrungsbericht, welcher einem den dringend benötigten Blick in eine hochrelevante, gesellschaftliche Dunkelkammer ermöglicht und mit dem gut eigene Folgerungen vorgenommen werden können. Folgerungen, die hoffentlich im Großen und Ganzen zu einem gesteigerten Situtationsbewusstsein und flächendeckendem Umdenken führen – zumindest kann man sich dies in Anbetracht der aktuellen, unbefriedigenden Bildungslage nur wünschen!

Quotes:

  • Das bisherige Schulsystem, so ist zumindest mein Eindruck, serviert Kindern Einsichten und Erkenntnisse wie ein schlechtes Essen, das sie zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder hochwürgen und erbrechen müssen, um es daraufhin für immer aus ihrem Kopf zu streichen. […] Und noch ein weiteres Gewächs scheint bei Kindern mir jedem Schultag mehr zu verwelken: die Neugier.
  • Dann wird mir mal wieder klar, dass gegen Dummheit nur ein Kraut gewachsen ist: Bildung.
  • Weg von diesem schwachsinnigen Notensystem, das den Kindern beibringt, sich für eine möglichst geringe Ziffer ins Zeug zu legen – anstatt das zu lernen, was sie als zukünftige Mitglieder einer aufgeklärten Gesellschaft später einmal können sollten: ein selbstbestimmtes Leben führen.

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