Brisante Fälle auf dem Seziertisch: Zeitzeuge Rechtsmedizin (Volkmar Schneider)

© Thomas Butsch

Autor: Volkmar Schneider
Titel: Brisante Fälle auf dem Seziertisch: Zeitzeuge Rechtsmedizin
Verlag: Militzke
Erscheinungsdatum: 8. März 2007
Seitenzahl: 224
ISBN-10: 3861896435
ISBN-13: 978-3861896432

Rezension:

In dem Sachbuch „Brisante Fälle auf dem Seziertisch“ stellt der heute emeritierte Professor für Rechtsmedizin und ehemaliger Leiter des Instituts für Rechtsmedizin in Berlin, Volkmar Schneider, eine Auswahl von Fällen vor, welche in seiner Laufbahn aus diversen Gründen herausragten.
So war er beispielsweise an Ermittlungen in politisch brisanten Fällen, wie dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg von der Hand des Polizisten Karl-Heinz Kurras (1967), dem Bombenanschlag auf das Maison de France (1983) oder gleichermaßen der libysch orchestrierte Anschlag auf die Diskothek „La Belle“ (1986) beteiligt. Aber auch Unglücke, wie dem Einsturz der „schwangeren Auster“ – dem Haus der Kulturen der Welt – (1980), der Zerstörung eines Steglitzer Wohnhauses durch eine Gasexplosion (1998) oder Kriminalfällen, wie den um den Boxer Gustav „Bubi“ Scholz (1984) fielen in seine Zuständigkeit.

In seinen Berichten ermöglicht der berufene Pathologe es dem Leser, jenseits von teilweise reißerisch, verkürzt oder anderweitig verfälschend präsentierten Pressetexten, einen Einblick in diesen überaus wichtigen, aber dennoch oft verkannten und übersehenen Bestandteil der Pflege der öffentlichen Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des Rechts zu gewinnen. Mit dem bewussten Verzicht auf politische Kommentare oder dem Darlegen einer kompletten Ermittlung betont Prof. Schneider in hohem Maße die von ihm geforderte Neutralität der rechtsmedizinischen Wissenschaft. Lässt allerdings gewiss manchen Leser etwas verloren in einem Haufen an Informationsbruchstücken zurück, die ohne die Konsultation weiterer Quellen kaum zur Meinungsbildung eingesetzt werden können.
Man wird im Prinzip mit der „Analyse und Interpretation“ der Schilderungen betreut und erfüllt im besten Fall die Rolle eines ordentlichen Gerichts bei der Beweiserhebung. Auf der anderen Seite bleibt größtenteils die Konfrontation mit Fachjargon aus, so dass das Buch nicht unbedingt technisch versiert wirkt und deshalb allgemeintauglicher ist, sich aber somit auch wieder nicht zur fachlichen Beschäftigung mit Rechtsmedizin eignet.

Zusammengefasst ist „Brisante Fälle auf dem Seziertisch“ eigentlich ausschließlich eine Sammlung diverser Berichte, welche von nichts anderem als einer Leiche, die zu einem prä- oder postmortal berühmt gewordenen Menschen gehört und im rechtsmedizinischen Institut ankommt, handelt. Es werden die erfolgten Untersuchungen kurz oder sehr knapp mit nur minimalen forensischen Hintergründen dargestellt und im Anschluss die Übergabe an die zuständigen Gerichte oder den politischen Institutionen im Fall von staatlich relevanten Fällen, umschrieben. Die Einordnung in ein Gesamtgeschehen findet nicht statt, sondern bleibt – wie bereits erwähnt – einem selbst überlassen.

Aufmerksam auf diese kleine Abhandlung wurde ich durch meinen Mann, der in der örtlichen Bibliothek bei der Suche nach Lektüre, welche er – als Vielleser – noch nicht kannte, dieses Buch aufstöberte und schließlich mit nach Hause brachte. Da mich „True Crime“ grundsätzlich ebenfalls interessiert, dachte ich, dass ein Blick lohnenswert sei. Zumal Volkmar Schneider, wie ich später seinem Werdegang entnahm, seinen Abschluss an einem Ableger des Gymnasiums, an dem ich auch einmal pauken musste, erwarb und ich mir deshalb insgeheim erhofft hatte, etwas niedersächsische Mentalität wiederzuerkennen, was jedoch nicht zutraf. Ansonsten ist es auf jeden Fall schwer, eine klare Zielgruppe für das Werk auszumachen, da leider auch der wichtige Appell an die Politik, die Rechtsmedizin in ihrer gesellschaftlichen Relevanz nicht zu verkennen, etwas untergeht. Hier sind meiner Meinung nach, Presseäußerungen von Professor Klaus Püschel, wie unter anderem im aktuellen Stern Crime Nr. 03, aufschlussreicher und nachhaltiger.

Dennoch werden sich bestimmt auch immer ein paar Wissbegierige und Nischenleser für den „Seziertisch“ von Herrn Schneider finden lassen.

Wertung: 4/7 Schreibfedern

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