Während die Frankfurter Buchmesse, der ich selbst leider aus gesundheitlichen Gründen nicht folgen kann und welcher ich deshalb mit einem traurigem Auge hinterher blicke, heute ihren 67. Auftakt feiert und anderseits die Netzgemeinde im Fantasy,- und Erwachsenenromanbereich gerade über die Sinnhaftigkeit von Perspektivwechseln, sowie deren Gewinnwert bei „Neuauflagen“ einstiger Werke diskutiert – „Grey“ und „Biss in alle Ewigkeit“ zeugen zumindest hiervon – widme ich mich derweil einem hoffentlich ebenfalls nicht uninteressantem Thema: Nämlich den literarischen „Dinosauriern“ des letzteren Jahrhunderts.
Günther Grass, Hellmuth Karasek oder auch Marcel Reich-Ranicki – wer kennt sie nicht, die Großen der medialen Literaturaufarbeitung. Doch was verbindet einen wirklich mit ihnen? Sind es nur die Namen, bei denen man leicht hellhörig wird oder verknüpft die jetzige Generation von Bibliophilen und Buchbloggern überhaupt noch persönliche Erinnerungen mit den oft bereits Verstorbenen der letzten Ära? Oder kann im Gegensatz dazu nicht schon unlängst eine Entfremdung des gemeinen Publikums mit dem relativ abgeschlossenem Ökosystem der Hochliteratur stattgefunden haben?
Was Rudi Carell für die Anfänge des Fernsehens und Dieter Hallervorden für das Theater darstellte, empfand ich persönlich rückblickend betrachtet zum Beispiel bei Herrn Karasek in Bezug auf Literaturdiskussionen. Dieser bot nämlich in seiner Art und dem Inhalt seiner Empfehlungen keinerlei Abgehobenheit, sondern schuf stattdessen sogar eine Art Verbundenheit mit den Lesern. Vielleicht mag meine Sympathie auch darin begründet liegen, dass ich bereits früh durch die vielseitigen Interessen meiner Großmutter mit den unterschiedlichsten Formen der Literatur konfrontiert wurde und daher auch das Literarische Quartett mir niemals fremd war, doch für die breite Allgemeinheit, für welche die Person Hellmuth Karasek eventuell noch durch seine Redaktionstätigkeit beim SPIEGEL-Magazin greifbar erschien, wirkte das Beharren auf den Normen der Hochliteratur von Herrn Reich-Ranicki (mit einigen Ausnahmen der Kriminalbelletristik) und dem absprechen jedweden Gewinnwerts der Unterhaltungsliteratur, hingegen wahrscheinlich eher verständnislos bis abschreckend.
Mangelndes Einfühlungsvermögen und Konservatismus – ein Grund für den Untergang dieser Monokultur? Interessieren Kontext und die Hintergründe, wie beispielsweise ein Werk in die heutige Zeit oder ihr jeweiliges gesellschaftliches Umfeld eingebettet werden, überhaupt noch jemanden? Die Betrachtung dieser Aspekte mag prinzipiell zu antiquiert sein…
Symbolisieren Interpretationen und Stilanalysen den Fall der klassischen Literatur, so dass diese lediglich noch für Deutschlehrer und Germanistikstudenten von Nutzen sind?
Vermutlich. Denn auch Henning Mankell und beispielsweise Terry Pratchett sind in diesem Jahr verstorben, – Walter Moers würde sie gemeinhin wohl auch als Lindwürmer der Belletristik bezeichnen – aber Schriftsteller gedeihen nun einmal durch ihre Romansaat oft besser in den Köpfen ihrer Leserschaft, als Literaturkritiker. Also doch nur ein Imageproblem letzterer?! Zumindest lassen dies die breiten öffentlichen Reaktionen und Nachrufe selbst junger Köpfe auf das Ableben der Autoren schließen.
In jeden Fall müssen Erinnerungen meiner Meinung nach, wohlbehütet aufbewahrt werden, so dass man die Möglichkeit erhält aus Vergangenem zu schöpfen, aber dennoch stets die Gelegenheit wahrnehmen kann Neues zu schaffen. Nachfolger in Form der Sendung des „Blauen Sofas“ und Ähnlicher traten schließlich unlängst in die Fußstapfen der einstigen literarischen Sauropoden. Heute nehmen vielleicht sogar schon Online-Buchempfehlungen und Buchblogs diese Position ein, denn natürlich hat nicht nur die Gesellschaft in kleinen Schritten einen steten Wandel vollzogen, sondern auch die Medien sich dem Geist der aktuellen Zeit angepasst. Zukünftig kann man darüber sinnieren, ob eventuell Podcasts noch einmal aufleben oder gar YouTube-Rezensionen das Bild der Literaturlandschaft beherrschen werden.
Die Zeit findet gewiss auch hierauf eine Antwort und die Entwicklung der Literaturwahrnehmung wird mit Sicherheit grundsätzlich eine spannende Angelegenheit bleiben.
In diesem Sinne mag man hoffen, dass sich der Blick auf die Vielfältigkeit der Literaturwelt stets jedem offenbaren möge. Oder frei nach Micheal Ende: Denn Mondenkind wird bestimmt noch unzählbar oft einen Namen bekommen!
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